Rz. 75

BGH, Urt.v. 21.10.2014 – VI ZR 507/13, zfs 2015, 264 = VersR 2014, 1510

Zitat

BGB § 134; RDG §§ 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2, 3, 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

Die Abtretung einer Forderung (hier: des durch einen Verkehrsunfall Geschädigten auf Erstattung von Sachverständigenkosten) durch einen Sachverständigen an ein Factoring-Unternehmen, das nicht über eine Registrierung nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG verfügt, ist wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 2 S. 1 Fall 2 RDG in Verbindung mit § 3 RDG gemäß § 134 BGB nichtig, wenn das Factoring-Unternehmen nicht das volle wirtschaftliche Risiko der Beitreibung der Forderung übernimmt.

a) Der Fall

 

Rz. 76

Die Klägerin, die ein Unternehmen für Factoring-Dienstleistungen betrieb, machte gegenüber dem beklagten Kfz-Haftpflichtversicherer aus abgetretenem Recht Ansprüche auf Erstattung von Sachverständigenkosten geltend. Diese hatte ein durch einen Verkehrsunfall Geschädigter an den von ihm mit der Begutachtung des Schadens beauftragten Kfz-Sachverständigen abgetreten, der seinerseits auf der Grundlage einer "Dienstleistungsvereinbarung" vom 27.7.2010 die Forderung an die Klägerin abgetreten hat. Nach Ziffer 1 der überwiegend formularmäßigen "Dienstleistungsvereinbarung" übernahm die Klägerin für die eingereichten Forderungen den Einzug. Bei ankaufsfähigen Forderungen erfolgte der Einzug mit Vorfinanzierung und Übernahme des Ausfallrisikos. Die Auszahlung des Rechnungsbetrags der ankaufsfähigen Forderungen erfolgte nach Ziffer 2 der Vereinbarung zu (handschriftlich ergänzten) 80 % nach drei Bankarbeitstagen abzüglich der Gesamtgebühr. Ferner enthielt Ziffer 2 den handschriftlichen Zusatz: "Auszahlung der restlichen 20 % erfolgt nach Zahlungseingang".

 

Rz. 77

Die Beklagte hielt die Abtretungen wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (im Folgenden: RDG) für unwirksam und hatte hilfsweise die Aufrechnung mit einem vermeintlichen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Sachverständigen erklärt.

 

Rz. 78

Das Amtsgericht hat die Abtretungen für wirksam erachtet und der Klage überwiegend stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebte die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

b) Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 79

Das Berufungsurteil hielt revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hatte die (Zweit-)Abtretung der Forderung durch den Sachverständigen an die Klägerin ohne Rechtsfehler wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot des § 2 Abs. 2 S. 1 RDG in Verbindung mit § 3 RDG gemäß § 134 BGB als nichtig erachtet.

 

Rz. 80

Nach § 2 Abs. 2 S. 1 RDG ist die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen eine Rechtsdienstleistung, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird (Inkassodienstleistung). Die selbstständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen ist nach § 3 RDG nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch dieses Gesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird. Inkassodienstleistungen im Sinne des § 2 Abs. 2 S. 1 RDG dürfen nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG nur von Personen, die bei der zuständigen Behörde registriert sind (registrierte Personen), aufgrund besonderer Sachkunde erbracht werden.

 

Rz. 81

Die Einziehung einer abgetretenen Forderung auf fremde Rechnung (Inkassozession) soll nach der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung vom 30.11.2006 unter Erlaubnisvorbehalt stehen, weil hier nur die formale Forderungsinhaberschaft auf den Einziehenden übertragen wird, die Einziehung aber weiterhin auf Risiko und Rechnung des Zedenten erfolgt und die Forderung für den Zessionar wirtschaftlich fremd bleibt (BT-Drucks 16/3655, S. 35 f., 48). Sie ist von den Fällen des Forderungskaufs abzugrenzen, "bei denen ein endgültiger Forderungserwerb stattfindet und das Risiko des Forderungsausfalls auf den Erwerber übergeht" (a.a.O., S. 48), sodass die Einziehung auf eigene Rechnung erfolgt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die Abgrenzung darauf an, ob das wirtschaftliche Ergebnis der Einziehung dem Abtretenden zukommen soll, wobei nicht allein auf den Wortlaut der vertraglichen Vereinbarung, sondern auf die gesamten ihr zugrunde liegenden Umstände und ihren wirtschaftlichen Zusammenhang abzustellen ist, also auf eine wirtschaftliche Betrachtung, die eine Umgehung des Gesetzes durch formale Anpassung der geschäftsmäßigen Einziehung an den Gesetzeswortlaut und die hierzu entwickelten Rechtsgrundsätze vermeidet. Entscheidend ist insoweit, ob die Forderung einerseits endgültig auf den Erwerber übertragen wird und dieser andererseits insbesondere das Bonitätsrisiko, d.h. das volle wirtschaftliche Risiko der Beitreibung der Forderung übernimmt (vgl. BGH, Urt. v. 30.10.2012 – XI ZR 324/11, NJW 2013, 59 Rn 13 f., v. 11.12.2013 – IV ZR 46/13, NJW 2014, 847 Rn 18 und v. 11.12.2013 – IV ZR 137/13, juris Rn 18; Beschl. v. 11.6.2013 – II ZR 245/11, WM 2013, 1559 Rn 3; vgl. au...

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