Rz. 163

Während früher vertreten worden ist, dass eine Abrechnung auf Neuwagenbasis auch lediglich fiktiv erfolgen kann, hat der BGH nun entschieden, dass der Geschädigte, dessen neuer Pkw erheblich beschädigt worden ist, den ihm entstandenen Schaden nur dann auf Neuwagenbasis abrechnen kann, wenn er ein fabrikneues Ersatzfahrzeug gekauft hat.[178] Zur Begründung stellt der BGH darauf ab, dass der Geschädigte zu einer solchen Abrechnung, welche zu seinen Gunsten die Opfergrenze überschreitet, nur dann berechtigt ist, wenn er ein schützenswertes Integritätsinteresse nachweist. Dies wäre nur dann der Fall, wenn ein gleichwertiges Neufahrzeug angeschafft wird.

 

Rz. 164

Mit dieser Entscheidung des BGH dürfte die in der Praxis immer wieder vorkommende Intention des anwaltlich beratenden Geschädigten, einen "Deal" mit dem gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherer zu erzielen, bei dem auf eine Neupreisentschädigung gegen Zahlung eines "Aufschlags" verzichtet wird, an Bedeutung verlieren. Für eine Neuwagenabrechnung muss der Geschädigte die Anschaffung eines fabrikneuen und gleichwertigen Ersatzfahrzeugs nachweisen. Eine bloße unverbindliche Order oder auch ein ggf. aufhebbarer Kaufvertrag als allein schuldrechtliche Verpflichtung dürften hierfür im Zweifel nicht genügen. Im Fall der 130 %-Abrechnung wird ja auch eine über den Reparaturauftrag hinausgehende tatsächliche Reparatur vorausgesetzt. Im Übrigen hat der BGH zutreffend darauf hingewiesen, dass ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug beschafft werden muss. Die Anschaffung irgendeines – nicht dem beschädigten Fahrzeugtyp entsprechenden – Ersatzfahrzeugs dürfte nicht genügen. Auch bei der Fallgruppe der 130 %-Rechtsprechung wird die Aufrechterhaltung des ursprünglichen Zustandes durch eine Reparatur gemäß Gutachten vorausgesetzt und keine "günstigere alternative Reparatur" akzeptiert.

 

Rz. 165

Muster 8.46: Nachweis der Anschaffung eines Neufahrzeugs bei der Neuwagenabrechnung

 

Muster 8.46: Nachweis der Anschaffung eines Neufahrzeugs bei der Neuwagenabrechnung

Der Geschädigte, dessen neuer Pkw erheblich beschädigt worden ist, kann den ihm entstandenen Schaden nur dann auf Neuwagenbasis abrechnen, wenn er ein fabrikneues Ersatzfahrzeug gekauft hat (BGH, Urt. v. 9.6.2009 – VI ZR 210/08 = NJW 2009, 3022). Dies setzt nicht nur voraus, dass das ausgewählte Ersatzfahrzeug als Neufahrzeug gleichwertig ist. Vielmehr kann nur bei der tatsächlich erfolgten Anschaffung ein besonderes Integritätsinteresse angenommen werden. Eine bloße, ggf. sogar nur unverbindliche Bestellung genügt nicht. Dies zeigt bereits der vom BGH selber vorgenommene Vergleich zu dem Nachweis eines schützenswerten Integritätsinteresses im Rahmen "130 %-Rechtsprechung": Dort ist die tatsächliche Vornahme einer Reparatur erforderlich, um das Integritätsinteresse zu begründen (vgl. BGH, Urt. v. 10.7.2007 – VI ZR 258/06 = NJW 2007, 2917). Auch bei der Abrechnung auf Neuwagenbasis ist daher der konkrete Nachweis der Inbesitznahme eines nutzungsbereiten Fahrzeugs zu fordern.

 

Rz. 166

Noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, wie sich der Geschädigte zu verhalten hat, wenn er eine Abrechnung auf Neuwagenbasis begehrt, aber zu einer Vorfinanzierung nicht in der Lage ist oder darüber hinaus Streit über die weiteren Voraussetzungen der Abrechnung auf Neuwagenbasis besteht. Zu diesem Zweck wird in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Geschädigte Feststellungsklage erheben kann, um seinen Anspruch gerichtlich klären zu lassen.[179] Dann wäre aber zu klären, ob ein berechtigtes Feststellungsinteresse nicht zumindest eine verbindliche Bestellung eines Neufahrzeugs voraussetzt oder der Geschädigte nicht sogar eine Stufenklage erheben kann. Angesichts der damit verbundenen Unsicherheiten mag sich eine Verständigung mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer anbieten.

 

Rz. 167

Muster 8.47: Verständigung über eine Zahlungszusage bei einer Abrechnung auf Neuwagenbasis

 

Muster 8.47: Verständigung über eine Zahlungszusage bei einer Abrechnung auf Neuwagenbasis

_________________________ Versicherung AG

_________________________

_________________________

Schaden-Nr./VS-Nr./Az. _________________________

Schaden vom _________________________

Pkw _________________________, amtl. Kennzeichen _________________________

Sehr geehrte Damen und Herren,

in vorbezeichneter Schadensache haben wir Ihnen bereits dargelegt, dass angesichts der Neuwertigkeit des Fahrzeugs unserer Mandantschaft sowie dem eingetretenen erheblichen Fahrzeugschaden eine Abrechnung auf Neuwagenbasis statthaft ist.

Hierfür ist jedoch eine Vorfinanzierung der Anschaffung eines Neufahrzeugs geboten. Ihre diesbezügliche Eintrittspflicht nach Nachweis der Neuanschaffung kann daher vorliegend nicht ernsthaft in Abrede gestellt werden. Zur Absicherung des Anspruchs unserer Mandantschaft wäre daher grundsätzlich eine Feststellungsklage zulässig (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 21.12.2017 – 2 U 136/17 – juris), zumal der BGH in seiner diesbezüglichen Grundsatzentscheidung vom 9.6.2009 – VI ZR 210/...

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