A. Forderungsübergang (§ 86 VVG)

 

Rz. 1

Nach einem Unfall hat ein Versicherungsnehmer, der eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen hat, die Möglichkeit, seine Kaskoversicherung in Anspruch zu nehmen und/oder seine Ansprüche gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers geltend zu machen.

 

Rz. 2

Liegt eine Mithaftung des Versicherungsnehmers bezüglich des Unfallgeschehens vor, ist es in der Regel sinnvoll, die Vollkaskoversicherung in Anspruch zu nehmen und Schadenersatzansprüche bei der gegnerischen Haftpflichtversicherung geltend zu machen.

 

Rz. 3

In derartigen Fällen wirkt sich das Quotenvorrecht zugunsten des Versicherungsnehmers aus, der vollen Schadenersatz auch bei einer erheblichen Mithaftung erreichen kann: Zwar gehen die Schadenersatzansprüche des Versicherungsnehmers auf die Kaskoversicherung über, soweit diese den Schaden ersetzt, aber nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers (§ 86 VVG).

B. Kongruenter Schaden

 

Rz. 4

Ein Versicherungsnehmer kann nach Inanspruchnahme seiner Vollkaskoversicherung die Differenz zwischen dem kongruenten Fahrzeugschaden und der Leistung des Kaskoversicherers gegenüber dem Haftpflichtversicherer ungekürzt geltend machen. Die Haftungsquote des Haftpflichtversicherers bildet die Obergrenze.

 

Rz. 5

Zum unmittelbaren (kongruenten und übergangsfähigen) Schaden gehören:

die Reparaturkosten,
die Abschleppkosten,
die Sachverständigenkosten und
der merkantile Minderwert.[1]

Neben diesen "klassischen" quotenbevorrechtigten Schadenspositionen gibt es Überlegungen, noch andere Positionen dem Quotenvorrecht zuzurechnen. Dies gilt insbesondere für Ummeldekosten, Umbaukosten für das Radio, Abzüge "neu für alt" sowie für die Abrechnung nach der 130 %-Regelung im Haftpflichtrecht.[2]

 

Rz. 6

Verschrottungskosten sind nicht bevorrechtigt; es handelt sich um Sachfolgeschäden.[3]

 

Rz. 7

 

Daher

Der Versicherungsnehmer kann bis zur Grenze der Mithaftungsquote des Unfallgegners die Selbstbeteiligung, die Abschleppkosten, die Sachverständigenkosten und den merkantilen Minderwert geltend machen.

 

Rz. 8

Diese Rechtsprechung darf jedoch nicht – wie es in der Praxis häufig geschieht – dahingehend missverstanden werden, dass diese Positionen Gegenstand der Kaskoversicherung geworden sind; vielmehr werden sie bei der Geltendmachung des Differenzschadens gegenüber dem Haftpflichtversicherer zugunsten des Versicherungsnehmers bei der Anrechnung der Kaskoentschädigung berücksichtigt.

[1] BGH VersR 1982, 383 = NJW 1982, 829 und BGH VersR 1985, 441.
[2] Hillmann/Schneider, Das verkehrsrechtliche Mandat, Bd. 2, 6. Aufl., § 6 Rn 16 ff.
[3] OLG Hamm SP 2000, 162.

C. Nicht bevorrechtigte Schadenpositionen

 

Rz. 9

Dagegen werden vom Rechtsübergang nicht betroffen:

der Nutzungsausfall,
die Mietwagenkosten,
die Unkostenpauschale,
eventuelle Fahrtauslagen und
Verschrottungskosten.[4]
 

Rz. 10

Diese Positionen sind vom gegnerischen Haftpflichtversicherer unabhängig von der Leistung des Kaskoversicherers entsprechend der Haftungsquote zu regulieren.

[4] OLG Hamm SP 2000, 162.

D. Abrechnungsbeispiele

 

Rz. 11

 

Beispiel 1

 
Reparaturkosten 6.000 EUR
Merkantiler Minderwert 500 EUR
Nutzungsentschädigung 400 EUR
Sachverständigenkosten 300 EUR
Abschleppkosten 200 EUR
insgesamt 7.400 EUR
Hierauf leistet die Vollkaskoversicherung (Fahrzeugschaden 6.000 EUR abzüglich Selbstbeteiligung 1.000 EUR) 5.000 EUR

Bei einer Mithaftungsquote von 50 % wäre es falsch, lediglich 50 % der vorgenannten Positionen gegenüber dem Haftpflichtversicherer geltend zu machen. Richtig ist vielmehr die Abrechnung nach Quotenvorrecht/Differenztheorie (siehe hierzu Schaubilder in Rdn 14 ff.). Der kongruente Fahrzeugschaden errechnet sich wie folgt:

 

Beispiel 2

 
Reparaturkosten 6.000 EUR
Merkantiler Minderwert 500 EUR
Sachverständigenkosten 300 EUR
Abschleppkosten 200 EUR
insgesamt 7.000 EUR
Bei einer Mithaftungsquote von 50 % könnte der Versicherungsnehmer gegenüber dem Haftpflichtversicherer 3.500 EUR
geltend machen. Sein verbleibender, von der Kaskoversicherung nicht gedeckter (kongruenter) Schaden beträgt (7.000 EUR ./. 5.000 EUR =) 2.000 EUR,
so dass er in dieser Höhe einen Entschädigungsanspruch gegen den Haftpflichtversicherer hat.  
Bei einer Haftungsquote von 20 % beschränkt sich der Anspruch auf diese Quote des kongruenten Schadens (20 % von 7.000 EUR), also 1.400 EUR.

Außerdem erhält der Versicherungsnehmer vom Haftpflichtversicherer die jeweilige Quote der Nutzungsentschädigung oder Mietwagenkosten, der Kostenpauschale, des Verdienstausfalles und des Rückstufungsschadens (siehe hierzu die Schaubilder in Rdn 14 ff.).

E. Bearbeitungshinweis

 

Rz. 12

Für die Praxis empfiehlt sich im Regelfall folgende Bearbeitung (vgl. Schaubilder in Rdn 14 ff.):

1. Geltendmachung der Kaskoentschädigung beim Kaskoversicherer.
2. Geltendmachung des restlichen kongruenten Schadens gegenüber dem Haftpflichtversicherer, und zwar wie folgt:
 
Selbstbeteiligung 1.000 EUR
Merkantiler Minderwert 500 EUR
Sachverständigenkosten 300 EUR
Abschleppkosten 200 EUR
insgesamt: 2.000 EUR
 

Rz. 13

Diese Positionen muss der Haftpflichtversicherer bis zu dem Betrag regulieren, für den er einzustehen hätte ohne Berücksichtigung der Lei...

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