Rz. 31

Üblicherweise wird der Anwalt durch den Mandanten damit betraut, die Kostendeckungszusage des Rechtsschutzversicherers einzuholen und die dem Mandanten in Rechnung gestellte Vergütung direkt mit dem RSV abzuwickeln. Insoweit kommt es immer wieder vor, dass Rechtsanwälte das spätere Auskunftsersuchen des RSV ignorieren und diesen nicht über den Verfahrensstand informieren. Teilweise wurde die Akte bereits abgelegt und müsste wieder herbeigeschafft werden oder es hat sich eine Disharmonie in das Mandatsverhältnis geschlichen. Die Gründe für das Schweigen des Anwalts sind nicht immer rational. Mitunter reagiert der Anwalt auch trotzig, weil er sich über das von ihm als schleppend empfundene Regulierungsverhalten des RSV ärgert oder er den zum Ausdruck kommenden Ton des RSV als nicht angemessen empfindet. Nicht selten reut es den Anwalt dann, die Deckungsanfrage als kostenfreien Service übernommen zu haben.

 

Rz. 32

Mitunter reagiert dann auch nicht der Mandant auf Anfragen des RSV oder verweist diesen wiederum zum Ärger des RSV an seinen Anwalt, weil er sich über den Ausgang des Verfahrens aufregt oder die Anfrage des RSV als lästig empfindet. Der RSV wendet sich in seiner Verzweiflung mitunter an die zuständige Rechtsanwaltskammer mit der Bitte um "Prüfung des Verhaltens Ihres Mitgliedes".

Abbildung: Auskünfte nur an Mandanten

 

Rz. 33

Manchmal wird die Kollegin oder der Kollege auch direkt gerichtlich im Wege der Auskunftsklage in Anspruch genommen. Es stellt sich somit die Frage, ob dem RSV ein zivilrechtlicher Auskunfts- und Abrechnungsanspruch gegenüber dem Anwalt zur Seite steht.

 

Rz. 34

Nach einer weit verbreiteten Meinung[19] soll grundsätzlich ein unmittelbarer zivilrechtlicher Auskunftsanspruch des RSV gegen den beauftragten Rechtsanwalt bestehen, weil es sich bei dem Mandatsverhältnis um einen Vertrag zugunsten Dritter handelt, § 328 BGB. Sobald der RSV Auskunft verlangt, habe der Rechtsanwalt ihn unverzüglich, vollständig und wahrheitsgemäß über sämtliche Umstände des Versicherungsfalles zu unterrichten und Beweismittel sowie Unterlagen auf Verlangen zur Verfügung zu stellen. Insofern soll der RSV in die Lage versetzt werden, sachgemäße und zweckdienliche Entscheidungen über die weitere Behandlung des Falles zu treffen.

 

Rz. 35

Der Pflicht zur Auskunftserteilung soll auch nicht die Schweigepflicht des Rechtsanwalts gegenüber seinem Mandanten entgegenstehen. Denn mit der an seinen Rechtsanwalt gerichteten Bitte des VN, bei dem RSV um Deckungsschutz für den konkreten Fall nachzusuchen, entbinde der VN den Rechtsanwalt stillschweigend von der Schweigepflicht.[20]

 

Rz. 36

Das LG Bonn[21] ist der Auffassung, ein Rechtsschutzversicherer, welcher im Rahmen eines Versicherungsvertrags an den Rechtsanwalt des Versicherungsnehmers Gerichtskosten verauslagt hat, habe gegenüber dem Rechtsanwalt einen Auskunfts- und Rechenschaftsanspruch aus §§ 675, 666 BGB, § 86 VVG. Zur Begründung wird ausgeführt, der Auskunfts- und Rechenschaftsanspruch sei als Hilfsanspruch aus dem Herausgabeanspruch aus den §§ 675, 667 BGB in analoger Anwendung des § 401 BGB auf den Rechtsschutzversicherer übergegangen.

 

Rz. 37

Das AG München[22] argumentiert wie folgt: Soweit der vom VN beauftragte Rechtsanwalt, trotz einer entsprechenden Belehrung, einem Auskunftsbegehren des RSV nicht nachkommt, sei dieses Verhalten als vorsätzliche Obliegenheitsverletzung dem VN zuzurechnen. Der RSV ist nicht nur berechtigt, den Versicherungsschutz zu widerrufen, sondern auch den gezahlten Vorschuss zurückzuverlangen. Das Amtsgericht führt weiter wie folgt aus: "Während der Rechtsanwalt für den VN die gesamte Korrespondenz mit der Rechtsschutzversicherung führt, ist er dessen “verlängerter Arm’. Verletzt der Rechtsanwalt dabei versicherungsvertragliche Obliegenheiten, werden diese dem VN gem. § 166 Abs. 1 BGB analog zugerechnet. Geht dadurch der Versicherungsschutz ganz oder teilweise verloren, begründet dies unter Umständen die Verletzung von Nebenpflichten aus dem Anwaltsvertrag mit der Folge, dass der Rechtsanwalt seinem Mandanten für die erlittenen Nachteile auf Schadenersatz haftet. Der Beklagte habe für sämtliches Fehlverhalten seines Bevollmächtigten gegen über der Rechtsschutzversicherung einzustehen (" Tietgens, r+s 2005, 489 495).“

 

Rz. 38

Dieses "Einstehen" hat auch in den aktuellen GDV-Musterbedingungen in § 17 (5) a) und b) ARB 2010 seine Ausformulierung gefunden und birgt erheblichen Zündstoff für den VN und seinen Anwalt:

Zitat

Der Versicherungsnehmer hat

[…]

(5)a) den mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragten Rechtsanwalt vollständig und wahrheitsgemäß zu unterrichten, ihm die Beweismittel anzugeben, die möglichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Unterlagen zu beschaffen;

b) dem Versicherer auf Verlangen Auskunft über den Stand der Angelegenheit zu geben.

(6)Wird eine der in den Absätzen 1 oder 5 genannten Obliegenheiten vorsätzlich verletzt, verliert der Versicherungsnehmer seinen Versicherungsschutz. Bei grob fahrlässiger Verletzung...

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