Rz. 7

Die Morgen- und die Abendgabe sind wesensgleich und unterscheiden sich nur durch den Zeitpunkt der Bestellung. Während sie im deutschen Rechtskreis seit langem keine Anwendung mehr finden, haben sie im islamischen Recht eine große Bedeutung. Die Morgengabe ist älter und verbreiteter. Sie ist eine in Bezug auf die Ehe vorgenommene Zuwendung von Geld oder Gütern des Bräutigams an die Braut. Die Abendgabe dagegen ist ein vom Bräutigam am Abend des Hochzeitstages nach dem Beilager der Braut als Dank für die erstmalige Hingabe verehrtes Geschenk.

Die Morgengabe als Rechtsinstitut in der islamischen Rechtsordnung findet ihre Wurzel im Koran. Dort heißt es:

Zitat

Gebt denen, an denen als Ehefrauen ihr euch erfreuen wollt, ihr Brautgeld. Das ist eine rechtliche Verpflichtung.[23]

Im iranischen Recht hat die Ehefrau einen Rechtsanspruch auf die vereinbarte Morgengabe.

 

§ 1091 Iranisches Zivilgesetzbuch

Das Rechtsinstitut der Morgengabe oder auch Abendgabe ist in Bezug auf ihre Funktion und Bedeutung immer im Zusammenhang mit der islamisch-rechtlichen Tradition zu sehen.[24]

Mit der Morgengabe gibt der Ehemann seinen festen Willen zum Ausdruck, die Ehe schließen zu wollen und für seine Ehefrau zu sorgen. Die Ernsthaftigkeit einer Bindung wird durch die Gabe gefördert. Während der Ehe bleibt die Morgengabe Eigentum der Ehefrau. Sie soll eine finanzielle Unabhängigkeit vom Vermögen des Mannes schaffen. Häufig wird die Zahlung der Morgengabe erst mit der Scheidung oder Auflösung der Ehe bzw. mit dem Tod des Ehemannes fällig. Sie erschwert es dem Ehemann sich einseitig von seiner Frau loszusagen, da ihm sofort der Anspruch auf Zahlung der Morgengabe entgegensteht. In den islamischen Rechtsordnungen existieren häufig nur für eine kurze Zeit ein nachehelicher Unterhaltsanspruch und kein Vermögensausgleich. Die Morgengabe sichert auch aus dieser Sicht die Ehefrau für die Zeit nach der Scheidung ab.

 

Rz. 8

Diese unterschiedlichen Funktionen der Morgengabe lassen eine Einordnung, je nach

Schwerpunktsetzung, in das Unterhaltsrecht (Art. 3, 5 HUP[25]), das Güterrecht (Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB) oder Ehewirkungsrecht (Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB) zu. Entscheidend ist diese Einordnung nur, wenn je nach der Anwendung des entsprechenden Statutes und seiner Normen im Ergebnis unterschiedliche Rechtsordnungen zur Anwendung kommen.

Hier werden unterschiedliche Rechtsauffassungen vertreten. Eine Möglichkeit ist, auf die hauptsächliche Funktion der Morgengabe zum Zeitpunkt der Geltendmachung/Fälligkeit abzustellen.[26] Die wohl herrschende Meinung stellt jedoch gerade nicht auf den Zeitpunkt der Geltendmachung ab, sondern qualifiziert die Morgengabe einheitlich.[27] Eine unterhaltsrechtliche Zuordnung kommt dabei nicht in Betracht, da die Morgengabe unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Ehemannes und der Bedürftigkeit der Ehefrau gezahlt wird. Es zählt die Fälligkeitsvereinbarung.[28]

Auch eine güterrechtliche Einordnung kommt nach Auffassung des BGH nicht in Betracht.[29] Zwar wird die Morgengabe in einem Vertrag festgelegt und soll zur Stabilisierung der Ehe und auch zur Absicherung der Ehefrau beitragen (wie das Institut des Zugewinnausgleiches und die Funktion von Eheverträgen auch), aber die Zahlung der Morgengabe stellt keinen eigenen Güterstand dar. Die Höhe der Zahlung wird vertraglich bei Eheschließung festgelegt, so dass die Vermögensentwicklung in der Ehe keinen Einfluss auf die Höhe der Zahlung hat. Der BGH ordnet sie daher dem Ehewirkungsstatut, Art. 14 EGBGB, zu.[30] Dieses ist jedoch wandelbar, so dass sich auch die Einordnung der Morgengabe in die Rechtsnormen eines bestimmten Staates wandeln kann. So kann güterrechtlich (Unwandelbarkeit des Güterrechtsstatuts) eine andere Einordnung erfolgen.

Nachfolgendes Beispiel[31] soll dies kurz skizzieren:

 

Beispiel

Die Eheleute A und B haben bei der Eheschließung in Marokko beide die marokkanische Staatsangehörigkeit mit islamischer Religionszugehörigkeit. Sie haben beide mit einer notariellen Urkunde eine Morgengabe zugunsten der A (Ehefrau) vereinbart. Nach 5 Jahren Ehe zieht die A aus der ehelichen Wohnung aus und fordert von B (Ehemann) die vereinbarte Morgengabe. B hat in der Zwischenzeit die deutsche Staatsangehörigkeit erworben und die marokkanische verloren.

In diesem Fall ist das Güterrechtsstatut marokkanisches Recht, Art. 15, Art. 14 Abs. 1 EGBGB. Dies ist auch das Ehewirkungsstatut zum Zeitpunkt der Geltendmachung der Forderung der A. Zwar hat B nun die deutsche Staatsangehörigkeit, jedoch bleibt es beim marokkanischen Recht, solange noch eine der Eheleute die marokkanische Staatsangehörigkeit hat. Hier kann die Einordnung der Morgengabe dahinstehen, da das marokkanische Recht sowohl nach dem Güterrechtsstatut als auch nach dem Ehewirkungsstatut zur Anwendung kommt.

Würde jedoch bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung der B die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und die Eheleute zwar in Marokko heiraten aber später nach Deutschland umziehen, ist die ...

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