A. Einleitung

 

Rz. 1

Lässt sich der vom Kläger geltend gemachte Anspruch nicht mit Einwendungen gegen diesen Anspruch zu Fall bringen, stehen dem Beklagten aber eigene Ansprüche gegen den Kläger zu, so kann er diese Ansprüche ggf. im Wege der Widerklage oder im Wege der Aufrechnung geltend machen.

 

Rz. 2

Im sich anschließenden ersten Abschnitt soll unter Berücksichtigung der rechtlichen Grundlagen von Widerklage und Aufrechnung zunächst erläutert werden, wie diese prozessualen Instrumente prozesstaktisch eingesetzt werden können. Soweit Widerklage und Aufrechnung gleichermaßen zur Wahl stehen, gilt es abzuwägen, welche prozessualen Vor- und/oder Nachteile mit der jeweiligen Vorgehensweise verbunden sind.

 

Rz. 3

Im dann folgenden zweiten Abschnitt werden die Voraussetzungen der Widerklage dargestellt. Die im Rahmen der Erhebung der Widerklage erforderlichen Muster finden sich in Abschnitt C (siehe Rdn 234).

 

Rz. 4

In gleicher Weise werden im dritten Abschnitt der nachfolgenden Erläuterungen die formellen und materiellen Voraussetzungen der Aufrechnung dargelegt. Auch hier finden sich die erforderlichen Schriftsatzmuster in Abschnitt C.

B. Rechtliche Grundlagen

I. Die Widerklage und die Aufrechnung als prozesstaktische Instrumente

 

Rz. 5

Soweit dem Beklagten gegen den Kläger seinerseits ein Anspruch zusteht, stellt sich die prozesstaktische Frage, in welcher Weise dieser Anspruch in die Rechtsverteidigung integriert werden kann.

 

Rz. 6

 

Hinweis

Verfügt der Beklagte über vermeintliche Einwendungen gegen den klägerischen Anspruch, wird er seine eigene Forderung gegen den Kläger nur dann opfern wollen, wenn er mit seinen Einwendungen nicht durchdringt. In diesem Fall muss der Prozessbevollmächtigte des Beklagten prüfen, ob und inwieweit er mit der Forderung des Beklagten nachrangig, d.h. hilfsweise agieren kann.

 

Rz. 7

Liegen dabei die nachfolgend in den Abschnitten B.II. (siehe Rdn 49 ff.) und B.III. (siehe Rdn 142 ff.) dargestellten Voraussetzungen für eine Widerklage und eine Aufrechnung vor, muss der Bevollmächtigte die jeweiligen Vor- und Nachteile des Rechtsinstrumentes der Widerklage oder der Aufrechnung seinem Mandanten darstellen und mit diesem gemeinsam abwägen.

1. Die Vorteile der Widerklage

 

Rz. 8

Die Widerklage kommt zunächst insbesondere dann in Betracht, wenn eine Aufrechnung aufgrund vertraglicher Vereinbarungen[1] oder aufgrund des Gesetzes nicht möglich ist. So findet sich in vertraglichen Abreden häufig eine Vereinbarung dahingehend, dass gegen die vertraglich begründeten Ansprüche eine Aufrechnung mit bestrittenen und/oder nicht rechtskräftig festgestellten Forderungen nicht möglich ist.

 

Rz. 9

 

Hinweis

Soweit keine gesetzlichen Regelungen entgegenstehen, sind solche vertraglichen Aufrechnungsverbote grundsätzlich wirksam. Soweit diese in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sind, sind die §§ 307, 309 Nr. 3 BGB zu beachten.[2] Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass eine Klausel, welche die Aufrechnung mit synallagmatisch verknüpften Ansprüchen (z.B. Gewährleistungsansprüche aus Kauf-, Miet- oder Werkvertrag) ausschließt, gegen § 309 Nr. 3 BGB verstößt und daher unwirksam ist.[3] Dies gilt auch wenn eine Klausel eines Geschäftsraummietvertrags die Aufrechnung ausschließlich auf Gegenforderungen aus betroffenen Vertrag begrenzt.[4] Für die Beurteilung, ob sich ein Kläger auf ein Aufrechnungsverbot berufen kann, ist dabei das Regelwerk der Klageforderung und nicht dasjenige der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung maßgebend.[5]

 

Rz. 10

Aufrechnungsverbote können dabei auch in bestimmten Klauseln verborgen sein:

"netto Kasse gegen Rechnung und Verladepapiere",[6]
"Kasse gegen Verladedokumente",[7]
"binnen sieben Tagen rein netto Kasse ohne Abzug",[8]
"Lieferung gegen Scheck",[9]
"cash on delivery".[10]
 

Rz. 11

Gesetzliche Aufrechnungsverbote können sich etwa aus §§ 390 ff. BGB ergeben. Darüber hinaus können Aufrechnungsverbote auch in den jeweils einschlägigen Normkomplexen enthalten sein, wie etwa die Aufrechnungsverbote des § 719 Abs. 2 BGB und des § 96 InsO.

 

Rz. 12

Eine Widerklage ist insbesondere auch dann in Betracht zu ziehen, wenn der Beklagte und eigene Mandant davon ausgeht, dass ihm eine Forderung zusteht, die der Höhe nach die Klageforderung übersteigt. In diesem Fall kann eine Aufrechnung nur bis zur Höhe der Klageforderung erfolgen. Der überschießende Teil müsste sodann im Wege der Widerklage geltend gemacht werden. Geschieht dies nicht, besteht die Gefahr, dass der überschießende Betrag, der nicht von der Aufrechnung erfasst wird, verjährt.

 

Rz. 13

 

Hinweis

In diesem Fall ist es möglich, dass der Beklagte zunächst seine Gegenforderung in Höhe der Klageforderung – ggf. hilfsweise – zur Aufrechnung stellt und nur hinsichtlich des überschießenden Betrages die Widerklage und hinsichtlich des hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Betrages Hilfswiderklage erhebt.

 

Rz. 14

Ein besonderer Vorteil der Widerklage kann in der Kostengestaltung liegen. So ist die Widerklage als ein Instrument zur endgültigen Erledigung eines streitigen Rechtsverhältnisses i.d.R. günstiger als die Erhebung einer gesonderten Einzelklage. Denn aufgru...

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