Rz. 188

Steht dem Beklagten eine Forderung zu, mit der er prinzipiell gegenüber der Klageforderung aufrechnen könnte, so zwingt ihn § 767 Abs. 2 ZPO, diese Aufrechnung zumindest hilfsweise auch zu erklären, wenn er den Aufrechnungseinwand nicht endgültig verlieren will.

 

Rz. 189

Unterlässt er die rechtzeitige Aufrechnungserklärung und wird der Klage später stattgegeben, so kann der Vollstreckung aus diesem Titel über die Klageforderung die Aufrechnung nicht mehr entgegengehalten werden.

 

Rz. 190

Da es sich um eine materiell-rechtliche Einwendung gegenüber der titulierten Forderung handeln würde, könnte diese nur nach § 767 ZPO mit der Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden. Nach § 767 Abs. 2 ZPO sind solche materiell-rechtlichen Einwendungen aber nur zulässig, wenn die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der die Einwendung spätestens hätte geltend gemacht werden müssen, entstanden sind.[126]

 

Rz. 191

Nach der ständigen Rechtsprechung wird hierbei auf den Zeitpunkt abgestellt, zu dem die Aufrechnungslage entstanden ist. Ob der Beklagte bereits die Aufrechnung erklärt hat, ist hiernach unerheblich. Präkludiert ist der Beklagte mit der Aufrechnung bereits dann, wenn die Aufrechnungslage schon im Prozess über die Klageforderung bestanden hat.[127] Dies wird dem Mandanten selten bewusst sein, weshalb der Rechtsanwalt grundsätzlich danach fragen muss, ob solche Gegenforderungen bestehen oder jedenfalls bestehen könnten.

 

Rz. 192

Bestand die Aufrechnungslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung über die Klageforderung, so kann im Rahmen der Zwangsvollstreckung gegen die titulierte Forderung nicht mehr aufgerechnet werden und hierauf auch keine Vollstreckungsgegenklage gestützt werden.

 

Rz. 193

 

Praxistipp

In diesem Fall muss der Rechtsanwalt unverzüglich die Aufrechnungsforderung selbst zur Titulierung führen und dann den Kläger und Vollstreckungsgläubiger zu einer Aufrechnung zwingen, wenn dieser sich nicht selbst der Zwangsvollstreckung ausgesetzt sehen will. Auf diese Weise lässt sich auch ein Haftungsfall vermeiden oder jedenfalls der Schaden begrenzen, wenn der Rechtsanwalt vergessen hat, den Mandanten nach Aufrechnungsforderungen zu befragen.

[126] Vgl. zur Problematik Goebel, AnwaltFormulare Zwangsvollstreckung, 3. Aufl. 2007, § 14.
[127] BGHZ 24, 97; 34, 274; 38, 122; BGH NJW 1980, 257; BGHZ 100, 222; BGH JuS 1991, 249; BGHZ 125, 351; MüKo-ZPO/K. Schmidt, § 767 Rn 82.

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