Rz. 181

In prozessualer Hinsicht ist weiter § 145 Abs. 3 ZPO zu beachten. Stehen die Klageforderung und die zur Aufrechnung gestellte Forderung nicht in einem rechtlichen Zusammenhang, so kann das Gericht anordnen, dass über die Klage und über die Aufrechnung getrennt verhandelt wird.[122]

 

Rz. 182

 

Hinweis

Von dieser Möglichkeit wird das Gericht regelmäßig dann Gebrauch machen, wenn die Klageforderung entscheidungsreif ist, während die streitige Aufrechnungsforderung erst im Rahmen einer umfänglichen Beweisaufnahme geklärt werden muss.

 

Rz. 183

 

Praxistipp

Ist der Rechtsstreit über die Klageforderung entscheidungsreif und der Kläger überzeugt, dass sich die Aufrechnungsforderung in der Beweisaufnahme als unberechtigt herausstellen wird, sollte er eine entsprechende Trennung des Verfahrens auch ausdrücklich beantragen, um frühzeitig einen Vollstreckungstitel zu erlangen.

Auf diese Weise kann er dem Beklagten zeitliche Möglichkeiten der Vermögensverschiebung[123] nehmen und das Risiko einer sich verschlechternden Vermögenslage des Beklagten verringern.

 

Rz. 184

Hat das Gericht nach § 145 Abs. 3 ZPO die Verhandlung über die Klageforderung und die Aufrechnungsforderung getrennt, kann es über die entscheidungsreife Klageforderung nach § 302 Abs. ZPO durch ein Vorbehaltsurteil entscheiden. Der Kläger kann dann aus dem Vorbehaltsurteil die Zwangsvollstreckung betreiben.

 

Rz. 185

Der Kläger macht sich allerdings nach § 302 Abs. 4 S. 3 ZPO schadensersatzpflichtig, wenn das Vorbehaltsurteil aufgrund der durchgreifenden Aufrechnung später aufgehoben und die Klage in dieser Konsequenz abgewiesen wird. Als Schadenspositionen kommen insbesondere Finanzierungskosten oder die Kosten einer Sicherheitsleistung in Betracht.

 

Rz. 186

 

Beispiel

Der Kläger hat eine Forderung in Höhe von 15.000 EUR geltend gemacht, gegen die der Beklagte Einwendungen erhoben hat. Hilfsweise rechnet der Beklagte mit mehreren Forderungen in einer im Einzelnen dargelegten Reihenfolge in Höhe von insgesamt 20.000 EUR auf. Ein rechtlicher Zusammenhang zwischen Klageforderung und den Aufrechnungsforderungen besteht nicht. Das Gericht erachtet die allein rechtlichen Einwendungen des Beklagten gegen die Klageforderung bei sonst unstreitigem Sachverhalt für unbegründet und trennt das Verfahren über die Klageforderung nach § 145 Abs. 3 ZPO ab.

Das Gericht gibt dann der Klage im Wege des Vorbehaltsurteils nach § 302 ZPO statt und behält dem Beklagten die Aufrechnung vor. Der Kläger betreibt nunmehr die Zwangsvollstreckung aus dem Vorbehaltsurteil. Im nachfolgenden Verfahren zeigt sich, dass der Beklagte zu Recht aufrechnen konnte.

Denkbar ist nun, dass der Beklagte zum Ausgleich der Klageforderung einen Kredit in Höhe von 15.000 EUR aufnimmt und an den Kläger zahlt. Der Beklagte kann nun von dem Kläger nach § 302 Abs. 4 S. 4 ZPO die Hauptforderung in Höhe von 15.000 EUR sowie die hierauf gezahlten Zinsen sowie die sonstigen Nebenkosten des Darlehens verlangen.

Der Beklagte kann allerdings auch, soweit dies ihm gestattet ist, die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Form einer Bankbürgschaft (§ 108 ZPO) abwenden. Für die Bankbürgschaft sind i.d.R. Avalzinsen zu zahlen. Wird das Vorbehaltsurteil später aufgehoben und die Klage wegen der Aufrechnung abgewiesen, so kann der Beklagte auch diese Avalzinsen von dem Kläger verlangen.[124]

 

Rz. 187

Nach § 302 Abs. 4 S. 4 ZPO kann der Beklagte den Schadensersatzanspruch bereits in dem anhängigen Rechtsstreit über die noch verbliebene Aufrechnungsforderung geltend machen.[125] Nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 302 Abs. 4 S. 4 ZPO hat dies für den Beklagten den Vorteil, dass die Rechtshängigkeit dieses Schadensersatzanspruches mit dem Zeitpunkt der Zahlung als rechtshängig fingiert wird.

[122] Muster eines Antrages auf Trennung der Verhandlung nach § 145 Abs. 3 ZPO unter Rdn 252.
[123] Insoweit ist schon im Prozess zu beobachten, ob der Beklagte den Prozess nur deshalb verzögert, um den Ablauf von Anfechtungsfristen nach dem AnfG zu erreichen.
[124] Für die Festsetzung der Avalzinsen ist dann das Prozessgericht zuständig, wenn es nicht zur Vollstreckung gekommen ist, anderenfalls das Vollstreckungsgericht. Grundlegend hierzu BGH NJW-RR 2008, 515 = FoVo 2008, 119.
[125] Muster unter Rdn 253.

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