Rz. 116

Die Widerklage kann auch als so genannte Hilfs- oder Eventualwiderklage[79] für den Fall erhoben werden, dass die Klage als unbegründet oder unzulässig beschieden wird.[80] Dies ist darüber hinaus für den Fall denkbar, dass eine erklärte Aufrechnung unzulässig ist. Damit ist dem Beklagten die Möglichkeit eingeräumt, sich primär gegen die Klageforderung zur Wehr zu setzen und seinen Anspruch zielgerichtet einzusetzen. Sollte die Primärverteidigung gegen die Klageforderung durchgreifen und die Klage abweisungsreif sein, kommt die Widerklage zum Zug. Gleiches gilt, wenn die Aufrechnung unzulässig sein sollte.

 

Rz. 117

 

Beispiel

Der Beklagte setzt sich zunächst mit dem Einwand, dass die Klageforderung nicht entstanden, jedenfalls nicht fällig sei, zur Wehr. Hilfsweise rechnet er mit einer die Klageforderung übersteigenden Gegenforderung auf.

Insoweit rügt der Kläger, dass eine Aufrechnung mit Gegenansprüchen gegen seine begründete Forderung nur möglich ist, wenn diese unstreitig oder rechtskräftig festgestellt ist. Da er die Forderung bestreitet und es an einer rechtskräftigen Feststellung fehle, sei eine Aufrechnung nicht möglich.

Der Beklagte macht geltend, dass diese Beschränkung der Aufrechnung unzulässig sei. Hilfsweise, nämlich für den Fall, dass das erkennende Gericht seiner Auffassung zur Zulässigkeit der Aufrechnung nicht folgt, erhebt er Hilfswiderklage mit dem Antrag, den Kläger zur Zahlung der zur Aufrechnung gestellten Forderung zu verurteilen.

 

Rz. 118

 

Praxistipp

Mit dieser Vorgehensweise kann ein vertragliches oder gesetzliches Aufrechnungsverbot letztlich umgangen werden, da der Beklagte spätestens in der Zwangsvollstreckung die Aufrechnung jedenfalls faktisch durchsetzt, wenn der Kläger Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des Beklagten gegen ihn vermeiden will.

 

Rz. 119

Denkbar ist die Hilfswiderklage in folgenden Fällen:

Die Klage ist auf die Feststellung der Nichtigkeit eines Vertragsverhältnisses gerichtet und der Beklagte tritt dem mit der hilfsweisen Widerklage entgegen, möchte aber für den Fall der erfolgreichen Klage seine bisher erbrachten Leistungen zurückerhalten.
Der Kläger macht im Wege der Vollstreckungsgegenklage geltend, dass der als Vollstreckungstitel herangezogenen notariellen Urkunde die Vollstreckungsfähigkeit fehlt, sodass mit der Hilfswiderklage der Anspruch jedenfalls tituliert werden kann.
Nur für den Fall der Abweisung der Teilklage wird hilfsweise Widerklage auf Feststellung erhoben, dass der nicht rechtshängige Teil des Anspruches nicht besteht.
Bei einer Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe der Kaufsache kann mit der hilfsweisen Widerklage der Anspruch auf Herausgabe der Gegenleistung, d.h. der Kaufsache geltend gemacht werden.
 

Rz. 120

Voraussetzung der Hilfswiderklage ist allerdings in jedem Fall, dass sie von einer innerprozessualen Bedingung abhängig ist, d.h. in Abhängigkeit dazu gestellt wird, dass die Klage begründet,[81] unbegründet[82] oder unzulässig ist. Dies bedeutet gleichzeitig, dass eine Hilfswiderklage allein gegen einen Dritten nicht zulässig ist.[83]

 

Rz. 121

Für den Widerkläger ergeben sich damit besondere Vorteile:

Wird eine Aufrechnung wegen eines vertraglichen oder gesetzlichen Aufrechnungsverbotes für unzulässig gehalten, wie im Beispielfall, so kann jedenfalls im Ergebnis das gegenseitige Erlöschen der Forderungen gleichwohl durchgesetzt werden.
Dringt der Beklagte mit seinen Einwendungen gegen die Klageforderung durch, so hat er seine Gegenforderung noch immer nicht vollstreckbar durchgesetzt, was er mit der Hilfswiderklage schnell und effektiv erreicht, ohne ein überhöhtes Prozesskostenrisiko einzugehen.
Hängt der Gegenanspruch von dem Ergebnis der Klage ab, kann der Beklagte und Hilfswiderkläger über das Instrument der Hilfswiderklage sein Kostenrisiko minimieren, indem er den Gegenanspruch erst zur Entscheidung stellt, wenn die Klage erfolgreich oder erfolglos ist, d.h. die Frage der Abhängigkeit von Klage und Widerklage für ihn positiv oder negativ beantwortet ist.[84]
 

Rz. 122

Möglich ist auch eine Haupt- oder Eventualwider-Widerklage des Klägers, mit der er der Widerklage des Beklagten begegnet.[85]

 

Rz. 123

Eine Hilfswiderklage ist ausgeschlossen, wenn diese auch auf einen bisher am Prozessrechtsverhältnis nicht beteiligten Dritten bezogen ist. Da die Widerklage eine selbstständige Klage ist, setzt sie ein zu begründendes Rechtsverhältnis voraus. Ein Eventualprozessrechtsverhältnis ist jedoch nicht zulässig, da die Frage, ob ein Prozessrechtsverhältnis begründet ist oder nicht, nicht in der Schwebe gelassen werden darf.[86]

Problematisch ist der Fall, dass die Klage die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichtes begründet, die Hilfswiderklage für sich allein aber die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts. In diesem Fall wird teilweise eine analoge Anwendung des § 506 Abs. 1 ZPO angenommen.[87] Das OLG Celle hält eine Verweisung des Rechtsstreites vom Amtsgericht an das Landgericht nicht nur für nicht willkürli...

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