Rz. 98

Die Widerklage kann nicht nur gegen den Kläger erhoben werden, sondern auch dazu genutzt werden, neben dem Kläger einen Dritten in das Prozessrechtsverhältnis einzubeziehen.[58]

 

Rz. 99

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist diese sogenannte Drittwiderklage grundsätzlich nur zulässig, wenn sie sich zugleich gegen den oder die bisherigen Kläger im Wege der Widerklage und zusätzlich gegen einen bisher nicht am Rechtsstreit beteiligten Dritten richtet. Kläger und Dritter müssen also Streitgenossen gem. der §§ 59, 60 ZPO sein.

 

Rz. 100

 

Beispiel

Der Kläger macht materiellen Schadensersatz gegen seinen Unfallgegner als Fahrer und Halter und dessen Haftpflichtversicherung geltend. Da er selbst nur Halter des am Unfallereignis beteiligten klägerischen Fahrzeuges ist, kann er für den Hergang des Unfallereignisses den Fahrer seines Fahrzeuges als Zeugen benennen.

Dies möchte der Beklagte verhindern, sodass er gegen den Kläger als bisher schon am Prozessrechtsverhältnis beteiligte Partei, den Fahrer des klägerischen Fahrzeuges als Dritten und die Haftpflichtversicherung des klägerischen Fahrzeuges als weitere Dritte Widerklage und Drittwiderklage erhebt. Diese ist zulässig, weil der Halter, der Fahrer und über § 3 Nr. 1 und 2 PflVG auch die Haftpflichtversicherung des klägerischen Fahrzeuges Streitgenossen sind.

In gleicher Weise kann der Beklagte, der sich einer Klage auf Restwerklohn des Bauunternehmers ausgesetzt sieht, widerklagend den Bauunternehmer (= Kläger) und den Architekten (Dritter) wegen Baumängeln und Planungsfehlern in Anspruch nehmen.

 

Rz. 101

Von der Unzulässigkeit der isolierten Drittwiderklage macht der BGH allerdings in Einzelfällen Ausnahmen. Etwa wenn dem Beklagten ein Gegenanspruch nicht nur gegen den Kläger, sondern auch gegen einen Dritten zusteht.[59]

 

Rz. 102

 

Beispiel

Der in Koblenz wohnende Kläger macht gegenüber dem ebenfalls in Koblenz wohnenden Beklagten eine Forderung über 22.500 EUR geltend. Zum Nachweis dieser Forderung beruft sich der Kläger auf das Zeugnis des D.

Dem Beklagten steht wiederum gegen den Kläger und den Dritten D eine Forderung in gleicher Höhe zu. Der Beklagte tritt der Klageforderung entgegen und rechnet hilfsweise gegenüber dem Kläger mit seiner Gegenforderung auf. Gleichzeitig erhebt er gegenüber D die isolierte Drittwiderklage.

 

Rz. 103

Denkbar ist auch, dass die GbR eine Klage gegen einen ihrer Gesellschafter erhebt, auf die dieser mit einer Widerklage gegen die übrigen Gesellschafter der GbR reagiert.[60] Eine weitere Ausnahme lässt der BGH bei der Klage des Zessionars und der darauf folgenden Drittwiderklage gegen den Zedenten zu.[61]

 

Rz. 104

Voraussetzung der sogenannten "isolierten Drittwiderklage" ist, dass der Drittwiderbeklagte dieser Verfahrensweise entweder zustimmt, sich rügelos einlässt[62] oder deren Sachdienlichkeit nach § 263 ZPO durch das erkennende Gericht angenommen werden kann.[63]

 

Rz. 105

 

Praxistipp

Der Kläger muss in diesem Fall darauf hinweisen, dass es an der Sachdienlichkeit fehlt, wenn die Widerklage allein dem Zweck dient, den D als seinen Zeugen auszuschalten. Der Beklagte und Widerkläger wiederum muss genau diesen Eindruck zerstreuen.

 

Rz. 106

Beachtet werden muss bei der Drittwiderklage, dass für den Dritten der besondere Gerichtsstand des § 33 ZPO grundsätzlich nicht gilt.[64] Für den Dritten muss also ein eigener Gerichtsstand am Ort des mit der Klage und der Widerklage angerufenen Gerichts begründet sein. Anderenfalls kann der Dritte die Unzulässigkeit der Widerklage geltend machen.[65] Der Widerkläger muss dann mit einem Antrag auf Gerichtsstandbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO reagieren.[66]

 

Rz. 107

 

Hinweis

Entgegen der früheren Rechtsprechung[67] kommt für den Fall, dass der Dritte am Gericht der Klage keinen Gerichtsstand hat, eine Gerichtsstandbestimmung nach §§ 36 Nr. 3, 37 ZPO dann allerdings nicht in Betracht, wenn der Kläger und der Dritte bei einem anderen als dem angerufenen Gericht einen gemeinsamen Gerichtsstand haben.[68]

 

Rz. 108

 

Beispiel

Die Klägerin hat ihren Sitz in Koblenz und klagt hier vor dem Amtsgericht gegen den in Koblenz wohnenden Beklagten. Die Klägerin, die auch noch Zweigniederlassungen in Hamburg, Stuttgart und München hat, beruft sich dabei auf den in Stuttgart wohnenden D als Zeugen. Der Beklagte möchte mit seiner Widerklage aufgrund eines vermeintlichen Anspruches gegen die Klägerin und den D gemeinsam, den D als Zeugen ausschalten. Dieser hat jedoch keinen Gerichtsstand in Koblenz.

Hier scheidet die Widerklage gegen den Kläger und den D vor dem Amtsgericht Koblenz ohne Mitwirkung des Dritten D aus. Der D hat in Koblenz keinen Gerichtsstand, während an seinem allgemeinen Wohnsitz in Stuttgart auch die Klägerin nach § 21 ZPO noch einen Gerichtsstand hat, sodass eine Bestimmung des Gerichtsstandes Koblenz nach § 36 Nr. 3 ZPO ausscheidet.

 

Rz. 109

Auch hier gilt allerdings, dass eine rügelose Einlassung des Dritten nach § 39 ZPO möglich ist, wenn er zuvor nach § 504 ZPO auf die fehlende Zuständigkeit des ...

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