Rz. 202

Verfügt der Beklagte über eine die Klageforderung übersteigende Gegenforderung, so kann es sachgerecht sein, sich nicht nur gegen die Klageforderung – zumindest hilfsweise – mit der Aufrechnungsforderung bis zur Höhe der Klageforderung zur Wehr zu setzen, sondern insoweit prozessökonomisch im gleichen Verfahren den überschießenden Anteil der Aufrechnungsforderung im Wege der Widerklage geltend zu machen.

 

Rz. 203

 

Praxistipp

Berühmt sich der Beklagte einer über die Klageforderung hinausgehenden Aufrechnungsforderung und bestreitet der Kläger diese, so muss der Beklagte ohnehin mit der weiter gehenden (negativen) Feststellungsklage des Klägers rechnen, dass keine über die Klageforderung hinausgehende Aufrechnungsforderung besteht. In diesem Fall ist es für den Beklagten günstiger, wenn er sich über die eigene Zahlungswiderklage auch einen vollstreckbaren Titel beschafft.

 

Rz. 204

 

Praxistipp

Erhebt der Kläger die negative Feststellungsklage, kann der Beklagte ihr das besondere Feststellungsinteresse entziehen, indem er selbst Zahlungswiderklage erhebt. Der Kläger muss dann die Feststellungsklage in der Hauptsache für erledigt erklären.

 

Rz. 205

Der Beklagte kann also gegen die Klageforderung in deren Höhe aufrechnen und den überschießenden Betrag im Wege der Widerklage geltend machen.

 

Rz. 206

 

Praxistipp

Diese Vorgehensweise hat für den Beklagten auch den Vorteil, dass die Verjährung der dem Beklagten zustehenden Forderungen sowohl im Hinblick auf die erklärte Aufrechnung als auch im Hinblick auf den mit der Widerklage verfolgten überschießenden Betrag gehemmt ist.[134]

Ohne die Widerklage würde die Verjährung des die Klageforderung übersteigenden Teils der Aufrechnungsforderung nicht gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB).

 

Rz. 207

Kann der Beklagte nicht sicher sein, dass er mit seiner unstreitigen oder nachgewiesenen Aufrechnungsforderung durchdringt, weil zwischen den Parteien auch streitig ist, ob ein vertragliches oder gesetzliches Aufrechnungsverbot besteht, so kann der Beklagte auf diese Prozesssituation sachgerecht reagieren, indem er die Aufrechnungserklärung mit einer Hilfswiderklage verbindet und auf diese Weise jedenfalls die Verjährung der Aufrechnungsforderung verhindert.[135]

 

Rz. 208

 

Hinweis

Auf diesem Weg umgeht der Beklagte zugleich auch das vertragliche oder gesetzliche Aufrechnungsverbot. Will der Kläger nämlich eine Vollstreckung des Beklagten vermeiden, so muss er gleichwohl die Aufrechnung akzeptieren oder aber die Aufrechnungsforderung ausgleichen.

Dieser Ausgleich durch den Kläger kann in der Weise geschehen, dass er selbst mit der für ihn titulierten Forderung aufrechnet oder aber dass er dem Beklagten die entsprechenden Geldmittel zur Verfügung stellt. Dann ist aber der Beklagte auch in der Lage, die Klageforderung auszugleichen. Damit hat zwar rechtlich ein gegenseitiges Austauschverhältnis stattgefunden, tatsächlich ist die Lage jedoch nicht anders, als sei es zur Aufrechnung gekommen.

 

Rz. 209

 

Praxistipp

In gleicher Weise sollte der Bevollmächtigte verfahren, wenn er nicht ausschließen kann, dass die Aufrechnung von dem Gericht als verspätet angesehen und insoweit zurückgewiesen wird. Damit verhindert er eine in Rechtskraft erwachsende abweisende Entscheidung über die Aufrechnungsforderung. Allein durch die Erhebung der Widerklage wird so eine Zurückweisung als verspätet vermieden, da die Widerklage kein Verteidigungsmittel, sondern ein Angriff ist. Muss über die Widerklageforderung – eventuell auch als überschießenden Teil der Aufrechnungsforderung – Beweis erhoben werden, so kann auch die Aufrechnung nicht mehr als verspätet zurückgewiesen werden, da der Rechtsstreit hierdurch nicht mehr verzögert wird.

[134] Vgl. hierzu BGH MDR 2009, 793 = BGHR 2009, 741.
[135] Muster unter Rdn 247.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge