Rz. 159

Die Aufrechnung im Prozess setzt neben der Einführung der Aufrechnung in den Prozess auch voraus, dass die materiellen Voraussetzungen der Aufrechnung vorliegen. Danach ist zu prüfen, ob

die Aufrechnung wirksam erklärt worden ist (§ 388 BGB),
kein Aufrechnungsverbot besteht,
die Aufrechnungslage gem. § 387 BGB zu bejahen ist.
 

Rz. 160

Soweit mehrere Forderungen zur Aufrechnung gestellt werden, ist zu beachten, dass genau anzugeben ist, in welcher Reihenfolge sie zur Aufrechnung gestellt werden. Dies verlangt das Bestimmtheitsgebot.

a) Die Aufrechnungslage

 

Rz. 161

Eine wirksame prozessuale und materiell-rechtliche Aufrechnung setzt neben der bereits dargestellten Aufrechnungserklärung und dem Fehlen der nachfolgend angesprochenen Aufrechnungsverbote voraus, dass zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung auch eine Aufrechnungslage gegeben ist. Diese liegt vor, wenn die Aufrechnungsforderung und die Klageforderung gegenseitig sind, d.h. die Parteien des Rechtsstreits wechselseitig Gläubiger und Schuldner sind;

die Forderungen darüber hinaus gleichartig sind, wobei sich die Gleichartigkeit auf die Art der Leistungsverpflichtung bezieht und nicht etwa auf den Ursprung der Forderung, d.h. deren Rechtsgrund;
 

Rz. 162

 

Hinweis

Unproblematisch ist die Gleichartigkeit bei währungsidentischen Geldforderungen, d.h. wenn sowohl die Klageforderung als auch die Aufrechnungsforderung in einem Zahlungsanspruch in derselben Währung bestehen.

Bei währungsverschiedenen Forderungen kommt demnach eine Aufrechnung nicht in Betracht. In diesem Fall kann nur ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werden, sodass die Klageforderung Zug um Zug gegen Erfüllung der Gegenforderung zu erfüllen ist.[112] Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB voraussetzt, dass die beiden Forderungen konnex sind, also zwischen ihnen ein innerer natürlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang besteht.[113] Damit besteht hier eine Voraussetzung, die über die der Aufrechnung hinausgeht.

 

Rz. 163

die Aufrechnungsforderung fällig und durchsetzbar ist, was der Bevollmächtigte mit der Kontrollüberlegung feststellen kann, ob die Aufrechnungsforderung im Wege der Widerklage durchgesetzt werden könnte. Schließlich muss die Klageforderung, gegen die aufgerechnet wird, erfüllbar sein. Danach ist die Aufrechnung gegen einen aufschiebend bedingten und künftigen Anspruch unzulässig.[114]
 

Rz. 164

Mit der erfolgten Aufrechnung erlöschen beide Forderungen in dem Umfange, in dem sie sich decken. Dabei bestimmt § 389 BGB, dass die Forderungen nicht erst in dem Zeitpunkt erlöschen, in dem die Aufrechnung erklärt wurde, sondern bereits in dem Zeitpunkt erloschen sind, in dem die Aufrechnungslage bestanden hat.

 

Rz. 165

Hieraus leitet ein Teil der Literatur ab, dass die Klage im Falle des Durchgreifens der Aufrechnung von Anfang an unbegründet war, sodass der Kläger trotz unstreitiger Klageforderung im Hinblick auf die sich durchsetzende Aufrechnungsforderung in vollem Umfange die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.[115] Dies gilt indes nur für die Primäraufrechnung. Bei der Hilfsaufrechnung hingegen sind die Kosten gemäß § 92 Abs. 1 ZPO verhältnismäßig zu teilen.

 

Rz. 166

Die vorstehend dargestellten Kostenfolgen gelten für den Fall, dass über die zur Aufrechnung gebrachte Forderung des Beklagten entschieden wird. Anders ist der Fall zu beurteilen, wenn der Kläger die Forderung und die Aufrechnung des Beklagten anerkennt. In diesem Fall wird er den Rechtsstreit für erledigt erklären. Nach Auffassung des BGH[116] liegen die Voraussetzungen einer Erledigung des Rechtsstreits vor. Denn in diesem Fall ist das erledigende Ereignis prozessual in der Aufrechnungserklärung zu sehen, sodass die Klage bis zu diesem Zeitpunkt zulässig und begründet war.

 

Rz. 167

Dies ist bei der Entscheidung nach § 91a ZPO zu berücksichtigen.[117] Dies kann aber nur für den Fall gelten, dass der Beklagte erstmals im Prozess die Aufrechnung erklärt und insoweit ein erledigendes Ereignis vorliegt. Hat er die Aufrechnung schon vorgerichtlich erklärt und der Kläger ungeachtet dessen die Klage erhoben, weil er entweder die Aufrechnung unbeachtet gelassen hat oder die Aufrechnungsforderung dem Grunde oder der Höhe nach bestreitet, ist anders zu verfahren.

 

Rz. 168

 

Hinweis

Fordert der Kläger den Beklagten also vorprozessual nicht zur Zahlung auf, kann ihn die Kostenlast nach § 93 ZPO analog treffen. Ebenso kann bei der Billigkeitsentscheidung nach § 91a ZPO berücksichtigt werden, ob und ggf. welcher Partei es zuzumuten war, bereits vorgerichtlich die Aufrechnung zu erklären.[118] Hierzu werden die Parteien vorzutragen haben.

 

Rz. 169

Nach § 322 Abs. 2 ZPO erwächst die Entscheidung über die zur Aufrechnung gebrachte Forderung in materielle Rechtskraft. Voraussetzung ist hierbei, dass über die Forderung selbst entschieden wird.

[112] OLG Hamm, NJW-RR 1999, 1736.
[113] Palandt/Grüneberg, § 273, Rn 10.
[114] BGHZ 103, 67.
[115] B/L/A/H/Hartmann, ZPO, § 91 Rn 24.

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