Rz. 57

Hinsichtlich der Zuständigkeit für die Klage und Widerklage ist zwischen der örtlichen und der sachlichen Zuständigkeit zu unterscheiden.

a) Die örtliche Zuständigkeit für die Widerklage

 

Rz. 58

Soweit für die Widerklage am Ort der Klage ein eigenständiger Gerichtsstand begründet ist, ergeben sich hier gegenüber dem normalen Erkenntnisverfahren keine Unterschiede. Die Widerklage ist dann nach den §§ 12 ff. ZPO beim örtlich zuständigen Gericht zu erheben, auf § 33 ZPO kommt es nicht an. Der Vorteil liegt darin begründet, dass damit auch die besonderen Voraussetzungen des § 33 ZPO nicht vorliegen müssen.

 

Rz. 59

 

Beispiel

Der in Koblenz wohnhafte Kläger erhebt seine Zahlungsklage über 15.000 EUR beim Landgericht Koblenz gegen den ebenfalls in Koblenz wohnenden Beklagten.

Hier kann der Beklagte hinsichtlich eines ihm zustehenden Gegenanspruches Widerklage ohne Rücksicht auf § 33 ZPO erheben, da der Kläger nach §§ 12, 13 ZPO einen eigenen Gerichtsstand in Koblenz hat.[32]

 

Rz. 60

Ein solcher Gerichtsstand für die Widerklage am Gerichtsstand der Klage kann sich beispielsweise ergeben aus:

§ 12 ZPO: Allgemeiner Gerichtsstand des Wohnortes,
§ 20 ZPO: Besonderer Gerichtsstand des Aufenthaltes,
§ 21 ZPO: Besonderer Gerichtsstand der Niederlassung,
§ 31 ZPO: Besonderer Gerichtsstand der Vermögensverwaltung,
§ 32 ZPO: Besonderer Gerichtsstand des Tatortes.
 

Rz. 61

Die dem entgegenstehende ältere Rechtsprechung,[33] die einen Zusammenhang zwischen Klage und Widerklage fordert und § 33 ZPO insoweit als Zulässigkeitsvoraussetzung der Widerklage gesehen hat, dürfte inzwischen als überholt gelten, nachdem sie nahezu einhellig abgelehnt wird und die letzte Bestätigung dieser Rechtsprechung schon mehr als 25 Jahre zurückliegt.[34] Dies entspricht auch der Einschätzung der Kommentarliteratur.[35] In diesem Fall ist aber zu berücksichtigen, dass das Gericht gemäß § 145 Abs. 2 ZPO Klage und Widerklage durch Beschluss trennen kann.[36]

 

Rz. 62

 

Praxistipp

Eine Zuständigkeit des mit der Klage angerufenen Gerichts für die Entscheidung über die Widerklage kann sich dementsprechend auch aus einer Gerichtsstandsvereinbarung oder aber auch einer rügelosen Einlassung nach §§ 39[37] oder 295 ZPO nach einer vorherigen Belehrung nach § 504 ZPO ergeben, ohne dass es dann auf die Frage der Konnexität ankommt.

 

Rz. 63

Ist dagegen am Ort der Erhebung der Klage kein eigenständiger Gerichtsstand nach den §§ 12 ff. ZPO für die Widerklage gegeben, kommt es auf den besonderen Gerichtsstand nach § 33 ZPO an.

 

Rz. 64

§ 33 ZPO erlaubt dem Widerkläger die Erhebung der Widerklage beim Gericht der Klage, obwohl für die Widerklage kein eigenständiger Gerichtsstand begründet ist, wenn der Widerklageanspruch mit dem Klageanspruch in einem Zusammenhang steht. Dies gilt aber nur für die Parteien, die aufgrund der Klage bereits am Prozessrechtsverhältnis beteiligt waren, nicht dagegen für Personen, die erst aufgrund der Widerklage in den Prozess einbezogen werden, d.h. ggf. bei der Drittwiderklage.[38] Inwieweit § 33 ZPO auch auf die Drittwiderklage anwendbar ist, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab.[39]

 

Rz. 65

Ein rechtlicher Zusammenhang ist gegeben, wenn der geltend gemachte Anspruch der Klage und der Gegenanspruch aus der Widerklage dem im Wesentlichen gleichen Lebenssachverhalt entstammen oder ihren Ursprung in demselben Rechtsverhältnis haben.[40] Nicht ausreichend ist dagegen ein rein tatsächlicher oder nur wirtschaftlicher Zusammenhang.[41]

 

Rz. 66

Ein rechtlicher Zusammenhang besteht jedenfalls in folgenden Fällen:

Klage auf Kaufpreiszahlung und Widerklage auf Schadensersatz wegen Schlechterfüllung,[42]
Klage auf Mietzinszahlung und Widerklage auf Feststellung, dass ein Mietvertrag nicht besteht,
Klage auf Mieterhöhung und Widerklage auf Mängelbeseitigung an der Mietsache,[43]
Honorarklage des Architekten und Widerklage auf Schadensersatz wegen Planungsfehlern,[44]
Klage auf Unterhalt und Widerklage auf Rückerstattung des Unterhaltsvorschusses und Feststellung des Nichtbestehens einer weiteren Vorschusspflicht,[45]
Bei einer Klage und einer Widerklage wegen wechselseitiger Ansprüche aus einer ständigen Geschäftsbeziehung,[46]
Klage auf Feststellung des Klägereigentums und Widerklage auf Feststellung des Beklagteneigentums an derselben Sache,
 

Rz. 67

 

Hinweis

In solchen Fällen negiert die Widerklage nicht nur die Klageforderung, auch wenn mit der Abweisung der Klage feststeht, dass der Kläger nicht Eigentümer der Sache ist, jedoch nicht automatisch festgestellt ist, dass der Beklagte deren Eigentümer ist. In Betracht käme in diesem Fall auch Dritteigentum. Die Widerklage geht damit über den Streitgegenstand der Klage hinaus.

 

Rz. 68

Klage auf materiellen und immateriellen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfallereignis und Widerklage auf ebenfalls materiellen und immateriellen Schadensersatz aus dem gleichen Unfallereignis,
Klage auf Zahlung des Restwerklohnes und Widerklage auf Nachbesserung, Mängelbeseitigung, Schadensersatz oder Vorschuss zur Mängelbeseitigung aus dem Werkvertrag.
 

Rz....

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