Rz. 170

Im Unterhalt ist die Identitätsformel nicht anzuwenden, weil sie nicht passt, wenn – wie hier – nur eine Teilidentität vorliegt.[251] Die beiderseits geltend gemachten Ansprüche sind wirtschaftlich nicht identisch. Der Widerantrag macht die Unterhaltsverpflichtung weitergehend als der Antrag zum Prozessgegenstand. Die Spanne des streitigen Unterhalts hat sich durch den Widerantrag vergrößert, weil der Widerantrag nicht den Teil des Unterhalts betrifft, den der Antrag schon zum Gegenstand hatte. In Wirklichkeit betreffen Antrag und Widerantrag Teilansprüche, die sich aus demselben (Unterhalts-)Rechtsverhältnis herleiten. Mit dieser Begründung wird die Zusammenrechnung der Werte fast einhellig vertreten. Dem ist zuzustimmen.[252]

Hingegen soll der Widerantrag, mit dem nur Auskunft begehrt wird, nicht zu einer Addition führen. Hier soll nur der höhere Wert des Leistungsantrags und kein Wert des Auskunftswiderantrags anzusetzen sein. Als Begründung wird angegeben, dass der Auskunftsantrag nur der Vorbereitung der Bezifferung diene.[253] Das ist nur zum Teil richtig. Auch wenn sich Leistungsantrag und Auskunftsantrag gegenüber stehen, sind die Werte also zu addieren, vorausgesetzt, dass Antrag und Widerantrag nicht den gleichen Gegenstand betreffen, z.B. wenn der Antragsteller eine Erhöhung und der Antragsgegner eine Herabsetzung des bisherigen Unterhaltstitels beantragt: zwei Verfahrensgegenstände, zwei Werte. Anders wenn der Widerantragsteller nur Auskunft fordert, um die gegnerische Forderung besser kontrollieren zu können.[254]

 

Rz. 171

Teilidentität ist auch dann gegeben, wenn sich Leistungsantrag und negativer Feststellungsantrag gegenüber stehen, die sich auf nicht völlig identische Zeiträume beziehen.

 

Rz. 172

 

Beispiel

Der Antragsteller ist Student und beantragt Unterhalt für die Dauer des Sommersemesters 2017 von monatlich 735,00 EUR. Der Antragsteller hat darüber hinaus angekündigt, auch nach Ablauf des Sommersemesters in gleicher Höhe weiter Unterhalt zu fordern.

Der Antragsgegner erhebt negativen Feststellungsantrag auf Feststellung, dass er überhaupt keinen Unterhalt mehr schuldet.

Wert dieses Verfahrens: 6 × 735,00 EUR (Dauer des Sommersemesters 2017, das Verfahrensgegenstand ist); 12 × 735,00 EUR negativer Feststellungsantrag.[255] Wert des Verfahrens also 13.230,00 EUR.

Unterhalt, wenn die Kinder getrennt sind:

Antrag und Widerantrag betreffen auch dann nicht denselben Gegenstand, wenn die Kinder getrennt sind und jeder Elternteil den Unterhalt des bei ihm lebenden Kindes geltend macht. Auch dann sind Antrag und Widerantrag zusammenzuzählen. Wechselseitige Auskunftsanträge werden zusammengerechnet, weil nicht derselbe Gegenstand zugrunde liegt.[256]

[251] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe/Mayer, Anh. VI Rn 620 ff.
[252] Nachweise der früheren Rspr. Vorauflage § 8 Rn 213.
[253] Göttlich/Mümmler, RVG, "Widerklage", 1.1.2; dagegen Schneider/Herget/N. Schneider, Rn 1428, 1431; Schneider/Herget/Thiel, § 39 Rn 9.
[254] OLG Jena, AGS 2013, 469 zum gleichen Verfahrensgegenstand; OLG Thüringen FamRZ 2013, 489 (kein eigener Wert bei Widerantrag auf Auskunft zum gleichen Gegenstand).
[255] Mümmler, JurBüro 1994, 652, nimmt nur den Jahresbetrag an, wie hier Madert/Müller-Rabe, B V Rn 51; kein eigener Wert bei Widerantrag auf Auskunft zum gleichen Gegenstand OLG Thüringen FamRZ 2013, 489.
[256] HK-FamGKG/Thiel, Verfahrenswert-ABC Rn 329.

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