A. Übersicht

 

Rz. 1

Bei der Verjährung handelt es sich um eine Einrede und nicht um eine Einwendung. Sie steht einem wirksam entstandenen Anspruch deshalb nur dann dauerhaft entgegen, wenn sich die gegnerische Partei darauf ausdrücklich beruft (vgl. § 214 BGB).

 

Rz. 2

Für die bei einem Verkehrsunfall maßgeblichen Schadensersatzansprüche der §§ 7, 18 StVG finden gem. § 14 StVG die gleichen Verjährungsvorschriften Anwendung wie für die deliktischen Ansprüche aus den §§ 823 ff. BGB. Eine entsprechende Regelung für den Direktanspruch gegen den Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer aus § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG befindet sich in § 115 Abs. 2 S. 1 VVG. Für alle diese Ansprüche ist folglich die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB zu beachten, nachdem das Schuldrecht für deliktische Ansprüche keine eigenständigen Verjährungsfristen mehr kennt.

B. Verjährungsbeginn

I. Übersicht

 

Rz. 3

Die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB beginnt gem. § 199 Abs. 1 BGB mit dem Ablauf des Jahres, in welchem

der Anspruch entstanden ist und

der Gläubiger Kenntnis bzw. aufgrund grober Fahrlässigkeit keine Kenntnis hat von

den Umständen, die seinen Anspruch begründen und
der Person des Schuldners.
 

Rz. 4

Für das Entstehen eines Schadensersatzanspruches gilt der Grundsatz der Schadenseinheit.[1] Nach diesem Grundsatz entsteht der Anspruch einheitlich einschließlich aller in Zukunft fällig werdenden Beträge, sobald ein erster (Teil-)Betrag im Wege der Leistungsklage geltend gemacht werden kann.[2] Eine Ausnahme gilt allerdings für solche (Folge-)Schäden, die zum Zeitpunkt des "Erstschadens" nicht vorherzusehen waren.[3] In diesen Fällen beginnt die Verjährungsfrist erst mit Ablauf des Jahres, in dem der spätere Folgeschaden eingetreten ist.

Der Gläubiger hat Kenntnis von der Person des Schädigers, wenn er dessen Namen und Anschrift kennt.[4] Zu den anspruchsbegründenden Umständen zählen alle Tatsachen, die die Voraussetzungen der anspruchsbegründenden Norm erfüllen. Insoweit genügt es, wenn der Gläubiger aufgrund der ihm bekannten Tatsachen eine Klage (und sei es auch eine Feststellungsklage) mit hinreichender Aussicht auf Erfolg hätte erheben können.[5] Bei objektiv vorhersehbaren Spätfolgen gilt auch dann nichts anderes, wenn der Geschädigte wegen unrichtiger Beratung (z.B. durch einen beigezogenen Arzt) die Erhebung einer Feststellungsklage unterlassen hat.[6]

 

Rz. 5

Muster 7.1: Einheitlichkeit des Verjährungsbeginns

 

Muster 7.1: Einheitlichkeit des Verjährungsbeginns

Eine für die Verjährung maßgebliche Schadensentstehung ist unter drei alternativen Voraussetzungen anzunehmen:

1. wenn der Schaden wenigstens dem Grunde nach bereits erwachsen ist, auch wenn seine Höhe noch nicht beziffert werden kann;
2. wenn durch die Verletzungshandlung eine als Schaden anzusehende Verschlechterung der Vermögenslage eingetreten ist, ohne dass feststehen muss, ob ein Schaden bestehen bleibt und damit endgültig wird;
3. wenn eine solche Verschlechterung der Vermögenslage bzw. ein endgültiger Teilschaden entstanden ist und mit der nicht fernliegenden Möglichkeit weiterer, noch nicht erkennbarer, adäquat verursachter Nachteile bei verständiger Würdigung zu rechnen ist (BGH, Urt. v. 2.7.1992 – IX ZR 268/91 = NJW 1992, 2766; grundlegend bereits BGHZ 100, 228, 231 f. und BGHZ 114, 150, 152).
 

Rz. 6

Bei einem nicht vorhersehbaren Spätschaden besteht kein einheitlicher Verjährungsbeginn mit den sonstigen Schäden. Gleiches gilt für nicht vorhersehbare Folgen eines bekannten Schadens.[7] In beiden Fällen beginnt die Verjährung nach § 199 BGB erst mit dem Schluss des Jahres, in welchem der Geschädigte von dem Schaden bzw. dem Ursachenzusammenhang zwischen Schaden und Schadensereignis Kenntnis erlangt hat.[8] Für die Frage nach der Vorhersehbarkeit entscheidend ist der Wissensstand der einschlägigen Facharztdisziplin, und zwar zum Zeitpunkt des Tages, an welchem der Verletzte von dem Schaden bzw. der Schadensfolge Kenntnis erlangt hat.[9] In anderen Fallkonstellationen, in denen ein Spätschaden wenig wahrscheinlich, aber durchaus möglich und sein Eintritt ggf. durch ein Gutachten zu klären ist,[10] lässt sich über die Frage trefflich streiten, ab wann aus der Sicht des Gläubigers eine hinreichende Erfolgsaussicht für (zumindest) eine (Feststellungs-)Klage gegeben ist. Insoweit mag es sich anbieten, den Sachbearbeiter des Versicherers mit dem Hinweis auf die Vermeidung einer (u.U. unnötigen) Klage im beiderseitigen Interesse dazu zu bringen, auf die Einrede der Verjährung bis zum Zeitpunkt der Fertigstellung eines ärztlichen Gutachtens zu verzichten.[11]

Die Verjährungsfrist hinsichtlich eines Anspruchs auf Prozesszinsen beginnt nicht erst ab Rechtskraft der Entscheidung, sondern bereits mit der Rechtshängigkeit der Hauptforderung zu laufen. Sowohl Verzugs- als auch Prozesszinsen unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist der §§ 195, 199 BGB.[12]

[1] Zur Genese z.B. NK-BGB/Mansel/Stürner, § 199 Rn 23 f m.w.N.
[2] Z.B. BGHZ 119, 69, 71.
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