Rz. 226

Ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen, § 121 Abs. 3 ZPO. Im Rahmen einer bewilligten VKH ist bei der Beiordnung eines nicht beim Prozessgericht ansässigen Rechtsanwalts stets zu prüfen, ob besondere Umstände für die Beiordnung eines zusätzlichen Verkehrsanwalts im Sinne von § 121 Abs. 4 ZPO vorliegen. Nur wenn dies nicht der Fall ist, darf der auswärtige Rechtsanwalt "zu den Bedingungen eines im Bezirk des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalts" im Sinne von § 46 Abs. 1 RVG beigeordnet werden.

 

Rz. 227

§ 91 ZPO ist durch Artikel 4 G. v. 26.3.2007 – Gesetz zur Stärkung der Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft, BGBl I S. 358 m.W.v. 1.6.2007 – geändert worden. Damit wird nicht mehr auf die Zulassung bei einem Gericht abgestellt, sondern auf die Niederlassung eines Anwalts im Bezirk des Prozessgerichts. Dies hängt mit der Aufgabe des Lokalisationsprinzips zusammen. Der Gesetzgeber hat die Änderung in § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO wie folgt begründet:[223]

Zitat

In § 91 Abs. 2 Satz 1 soll für die Erstattung der Reisekosten der obsiegenden Partei nicht mehr darauf abgestellt werden, ob der Anwalt beim Prozessgericht zugelassen, sondern darauf, ob er in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist.

Aufgrund dieser Änderung ist der Rechtsanwalt, der im Bezirk des Gerichts seinen Sitz hat, nicht aber am gleichen Ort, ohne Einschränkungen beizuordnen.[224] Entstehende Reisekosten nach Teil 7 VV RVG sind ihm zu erstatten.

 

Beispiel

RA B. hat seine Kanzlei in Dormagen. Dormagen liegt im Bezirk des Amtsgerichts – Familiengerichts – Neuss. RA B. wird in einer Scheidungssache mit Folgesachen als RA beigeordnet. Er reist zum Gerichtstermin nach Neuss. Ihm sind sämtliche Reisekosten von der Staatskasse zu erstatten.

 

Rz. 228

 

Beispiel

RA B. hat seine Kanzlei in Dormagen. Dormagen liegt im Bezirk des Amtsgerichts – Familiengerichts – Neuss. RA B. wird in einer Scheidungssache mit Folgesachen als RA beigeordnet. Die Scheidung erfolgt allerdings vor dem Amtsgericht – Familiengericht – Köln. RA B. reist zum Gerichtstermin nach Köln. Nun ist zu prüfen, ob über § 121 Abs. 4 ZPO die Beiordnung eines Verkehrsanwalts in Frage käme. Da voraussichtlich die Reisekosten von Dormagen nach Köln unter den Kosten eines Verkehrsanwalts liegen, kann RA B. beantragen, ohne Einschränkung "zu den Bedingungen eines im Bezirk des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalts" beigeordnet zu werden. Seine Reisekosten wird er als auswärtiger Anwalt dann geltend machen können, wenn die Entfernung von Dormagen nach Köln nicht weiter ist, als der im Gerichtsbezirk Köln entferntest liegende Ort.

 

Rz. 229

§ 78 Abs. 3 FamFG schränkt die Beiordnung eines Anwalts in Familiensachen, die nicht Ehesachen und nicht Familienstreitsachen sind (denn für diese gilt § 78 FamFG nicht) dahin ein, dass ein nicht im Bezirk des Verfahrensgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden kann, wenn hierdurch besondere Kosten nicht entstehen. Nur wenn besondere Umstände dies erfordern, kann dem Beteiligten nach § 78 Abs. 4 FamFG auf seinen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Verfahrensbevollmächtigten beigeordnet werden.

 

Rz. 230

Trotz dieser eindeutigen Gesetzesänderung ist in der Praxis immer noch zu beobachten, dass Gerichte einschränkend zu den "Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts" beiordnen. Gegen eine solche einschränkende Beiordnung sollte fristgerecht Beschwerde eingelegt werden, sofern ein Beschwerdegrund gegeben ist, d.h. ein nicht am Gerichtsort ansässiger Anwalt beigeordnet wird.

 

Rz. 231

Zitat

"1. Die Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts im Rahmen der PKH-/VKH-Bewilligung kann nicht (mehr) auf die "Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts", sondern ausschließlich auf die "Bedingungen eines im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts" beschränkt werden."

2. Gegen eine insofern unzutreffende Einschränkung seiner Beiordnung ist die sofortige Beschwerde des beigeordneten Rechtsanwalts zulässig.“[225]

 

Rz. 232

Zitat

"Die Beiordnung eines auswärtigen Verfahrensbevollmächtigten "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts" ist nicht zulässig. Die höchstmögliche Einschränkung darf lauten: "Zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts". Steht bereits bei der Beiordnung fest, dass die Entfernung der Kanzlei des Rechtsanwalts außerhalb des Gerichtsbezirks geringer ist, als die höchstmögliche Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks, so ist der Anwalt hinsichtlich seiner Reisekosten uneingeschränkt beizuordnen." (Leitsatz des Verfassers N. Schneider)[226]

 

Rz. 233

Es wird davon ausgegangen, dass ein konkludentes Einverständnis des Rechtsanwalts mit einer dem Mehrkostenverbot des § 78 Abs. 3 FamFG entsprechenden Einschränkung der Beiordnung enthält, wenn die Bei...

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