A. Vorbemerkung

 

Rz. 1

Eine der wohl wichtigsten Veränderungen des heutigen Versorgungsausgleichs ggü. dem früheren Rechtszustand ist die deutliche Stärkung der Fähigkeit der Eheleute, Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich zu treffen.

B. Grundlagen

 

Rz. 2

Nach dem früher geltenden Recht waren Parteivereinbarungen über den Versorgungsausgleich enge Grenzen gesetzt, die aus dem Bestreben des Gesetzgebers herrührten, einerseits einen unterlegenen Ehegatten vor einer aufgezwungenen Vereinbarung zu seinem Nachteil zu schützen und andererseits auf jeden Fall vertragliche Regelungen zulasten öffentlicher Kassen (der Sozialversicherungen und der Träger der Sozialkassen) zu vermeiden. So konnte einerseits jede Regelung über den Versorgungsausgleich, die vor oder während der Ehe getroffen wurde, dadurch wieder unwirksam gemacht werden, dass innerhalb eines Jahres nach ihrem Abschluss der Scheidungsantrag gestellt wurde (§ 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F.), obwohl die Vereinbarung selbst ebenfalls einer Inhalts- und Ausübungskontrolle unterlag. Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs führte güterrechtlich zur Gütertrennung (§ 1414 BGB a.F.). Im Scheidungsverfahren getroffene Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich bedurften zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung des Familiengerichts (§ 1587o BGB a.F.). Dieses musste prüfen, ob der statt des Versorgungsausgleichs vereinbarte andersartige Ausgleich angemessen und zur Absicherung des Berechtigten geeignet war (vgl. § 1587o Abs. 2 BGB a.F.). Letztlich war dem historischen Gesetzgeber des Versorgungsausgleichsrechts der durch Vereinbarungen bewirkte Eingriff in das gesetzliche System des Versorgungsausgleichs suspekt. Das gesetzliche System wurde als die gerechte Lösung für den Ausgleich von Altersvorsorgeanrechten angesehen; private Regelungen dieses Bereichs wurden deswegen besonders erschwert.[1]

 

Rz. 3

Diese engen Grenzen entsprechen nicht dem Prinzip der Eigenverantwortlichkeit, wie es der Gesetzgeber auch schon im Unterhaltsrecht 2008 verankert hatte.[2] Bereits durch die Stellung der Regelungen über die Vereinbarungen (§§ 6 ff. VersAusglG, vor allen anderen Regelungen über Ausgleichsformen) macht er deswegen deutlich, dass er in Zukunft die Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich nicht nur für zulässig, sondern sogar für wünschenswert hält.[3] Damit korrespondiert künftig eine Pflicht des Anwalts, seine Mandanten darüber zu beraten, ob und inwieweit der Abschluss eines Vertrags über den Versorgungsausgleich sinnvoll oder sogar angezeigt ist.[4] Das führt trotz der Prüfung der Wirksamkeit von Vereinbarungen durch das Familiengericht durchaus zu einem höheren Haftungsrisiko,[5] weil die Kontrollbefugnisse des Gerichts ggü. dem früheren Recht eingeschränkt sind.

 

Rz. 4

Alle bisher im Gesetz explizit genannten Beschränkungen von Vereinbarungen wurden aufgehoben. Der Gesetzgeber hat anerkannt, dass die Regelungsbefugnis der Eheleute in Bezug auf den Versorgungsausgleich Teil der Vertragsfreiheit ist.[6] Erhalten bleiben nur ein Formerfordernis (§ 7 VersAusglG) und eine Regelung über die Inhalts- und Ausübungskontrolle (§ 8 Vers­AusglG), die aber letztlich keine Besonderheiten ggü. dem Ehevertragsrecht im Allgemeinen darstellt und nur die bisherige Rechtsprechung des BGH[7] zu diesen Verträgen kodifiziert.

[1] So auch die Einschätzung bei Ruland, Rn 925.
[2] Zum Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit im Unterhaltsrecht siehe ausführlich Kemper, Das neue Unterhaltsrecht, Rn 37 ff.
[3] BT-Drucks 16/10144, S. 51; Schmid, FPR 2009, 196, 200; Ruland, Rn 925; Wick, FuR 2010, 301; MüKo-BGB/Eichenhofer, § 6 VersAusglG Rn 2.
[4] Wick, FuR 2010, 301; Rotax, ZFE 2009, 453.
[5] So schon Kemper, ZFE 2009, 204, 207; a.A. MüKo-BGB/Eichenhofer, § 6 VersAusglG Rn 11.
[6] BGH FamRZ 2014, 1179.

C. Zeitliche Grenzen für Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich

 

Rz. 5

Nach dem neuen Recht spielt es grds. keine Rolle mehr, wann die Vereinbarung über den Versorgungsausgleich geschlossen wird. Eine Differenzierung, wie sie noch § 1408 BGB a.F. einerseits und § 1587o BGB a.F. andererseits enthalten hatten, gibt es nicht mehr. Sieht man von der Erfüllung des Formerfordernisses ab (das in bestimmten Varianten nur in einem laufenden Verfahren erfüllt werden kann, siehe dazu § 7 Rdn 96 ff.), ist es deswegen ohne Belang, ob die Vereinbarung über den Versorgungsausgleich vor der Ehe (dann aufschiebend bedingt auf die Eheschließung[8]), während der funktionierenden Ehe bei bestehender Lebensgemeinschaft, nach der Trennung der Ehegatten oder im Scheidungsverfahren erfolgt.

 

Rz. 6

Die spätere Stellung eines Scheidungsantrags hat keine Auswirkungen auf eine zuvor abgeschlossene Vereinbarung über den Versorgungsausgleich, gleichgültig wie viel oder wie wenig Zeit zwischen dem Abschluss der Vereinbarung und der Einreichung des Scheidungsantrags liegt. Eine Regelung wie § 1408 Abs. 2 BGB a.F. gibt es nicht mehr. Auch im Scheidungsverfahren können Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich getroffen werden. Die Regelung des Versorgungsausgleichs kann ohne weiteres Bestandteil einer Schei...

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