Rz. 36

Wasserhaushaltsgesetz (Auszug) vom 31.7.2009 (Wasserrechtsneuordnungsgesetz; BGBl I, 2585), das mit Wirkung vom 1.3.2010 das Wasserhaushaltsgesetz v. 27.7.1957 abgelöst hat (Art. 24 Abs. 2 S. 2 WasserRNRG); zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes v. 19.6.2020 (BGBl I, 1408)

 

§ 89 WHG: Haftung für Änderungen der Wasserbeschaffenheit

(1) Wer in ein Gewässer Stoffe einbringt oder einleitet oder wer in anderer Weise auf ein Gewässer einwirkt und dadurch die Wasserbeschaffenheit nachteilig verändert, ist zum Ersatz des daraus einem anderen entstehenden Schadens verpflichtet. Haben mehrere auf das Gewässer eingewirkt, so haften sie als Gesamtschuldner.

(2) Gelangen aus einer Anlage, die bestimmt ist, Stoffe herzustellen, zu verarbeiten, zu lagern, abzulagern, zu befördern oder wegzuleiten, derartige Stoffe in ein Gewässer, ohne in dieses eingebracht oder eingeleitet zu sein, und wird dadurch die Wasserbeschaffenheit nachteilig verändert, so ist der Betreiber der Anlage zum Ersatz des daraus einem anderen entstehenden Schadens verpflichtet. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch höhere Gewalt verursacht ist.

I. Einleitung und Anwendungsbereich

 

Rz. 37

Vor der Geltung des WHG bestimmten allenfalls Art. 37 des früheren BayWG und § 24 PrWG eine Einstandspflicht für die unerlaubte Gewässerverunreinigung. Das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) ist in seiner Ursprungsfassung vom 27.7.1957[78] gemäß des Änderungsgesetzes vom 19.2.1959 am 1.3.1960 in Kraft getreten.

§ 22 WHG – Haftung für die Beschaffenheit des Wassers – blieb seit der ursprünglichen Fassung bis 28.2.2010 stets unverändert. Mit dem Wasserrechtsneuordnungsgesetz vom 31.7.2009[79] wurde § 22 ab 1.3.2010 zu § 89 WHG.

 

Rz. 38

Inhaltlich entfiel mit § 89 WHG der Abs. 3 des bisherigen § 22, der unter Verweis auf § 10 Abs. 2 WHG a.F. einen Entschädigungsanspruch für den Fall gewährte, dass ein Schadensersatzanspruch gemäß § 11 WHG a.F. wegen erteilter Bewilligung ausgeschlossen war. Die bisher in § 22 Abs. 2 geregelte Anlagenhaftung trifft nun anstelle des Inhabers den Betreiber einer Anlage. Im Ergebnis folgt hieraus keine inhaltliche Änderung, da sich die Begriffe des Inhabers und des Betreibers im Wesentlichen decken.[80]

 

Rz. 39

§ 22 WHG hatte die Haftung ausgedehnt und verschärft, weil die bisherigen Haftungsgrundsätze bei der ständig zunehmenden Gewässerverunreinigung zum Schutz der Allgemeinheit und des Einzelnen nicht mehr ausreichten.[81] § 89 WHG regelt wie seine Vorgängervorschrift einen Tatbestand der Gefährdungshaftung.[82] Dem entspricht der Zweck dieser Norm, den besonderen Gefahren der Gewässerverunreinigung zu begegnen, gegen die der gefährdete Einzelne sonst keine entsprechenden Abwehrmöglichkeiten hat.[83] Sie bezweckt mithin einen umfassenden Gewässerschutz[84] und regelt eine verschuldensunabhängige Haftung für schädliche Veränderungen der Beschaffenheit des Wassers.[85] Die Haftungstatbestände nach § 89 WHG schließen aber – ihrer Zielrichtung nach Verstärkung des Schutzes gegen Beeinträchtigungen der Wasserbeschaffenheit gemäß – weder Ansprüche aus Delikt noch aus Geschäftsführung ohne Auftrag aus.[86]

 

Rz. 40

Für Übergangsfälle gilt: Wurde der Schaden bis zum 28.2.2010 verursacht, ist er aber erst danach eingetreten, so gilt § 22 WHG a.F. Dauert die Setzung der Schadensursache, die bis zum 28.2.2010 begonnen wurde, nach Inkrafttreten des § 89 WHG an, so beurteilt sich die Haftung nach § 89 WHG, wenn die danach geleisteten Kausalbeiträge an sich geeignet sind, den geltend gemachten Schaden zu verursachen.[87] Die Einschränkung der Haftung nach § 89 WHG durch Landesrecht ist gemäß § 2 Abs. 2 S. 2 WHG nicht zulässig.

 

Rz. 41

§ 89 WHG gilt für alle Gewässer im Sinne des § 2 Abs. 1 WHG und deren Teile, nämlich

das ständig oder zeitweilig in Betten fließende oder stehende oder aus Quellen wild abfließende Wasser (§ 3 Nr. 1 WHG; oberirdische Gewässer),
das Meer zwischen der Küstenlinie bei mittlerem Hochwasser oder zwischen der seewärtigen Begrenzung der oberirdischen Gewässer und der seewärtigen Begrenzung des Küstenmeeres (§ 3 Nr. 2 WHG; Küstengewässer),
das unterirdische Wasser in der Sättigungszone, das in unmittelbarer Berührung mit dem Boden oder dem Untergrund steht (§ 3 Nr. 3 WHG; Grundwasser).
 

Rz. 42

Der Gewässerbegriff der Norm erfasst neben natürlich entstandenen Gewässern wie Flüssen, Seen und Meeren auch durch menschliche Arbeit entstandene Gewässer wie Gräben, Kanäle, Teiche, Stauseen oder ähnliches. Für oberirdische Gewässer muss in der Erdoberfläche eine Vertiefung vorhanden sein, in der Wasser nach den Gesetzen der Schwerkraft stehen bleibt (Wassergrundstück). Die Erdvertiefung muss aber bestimmungsgemäß zur Aufnahme von Wasser von Natur aus oder aufgrund menschlicher Bestimmung geschaffen sein. Nach allgemeiner Auffassung gilt Wasser nur dann als Gewässer, wenn es in den natürlichen Wasserkreislauf eingebunden ist, also ein natürlicher Zusammenhang mit dem Wasserhaushalt besteht.[88] Deshalb wird Wasser und Abwasser in ...

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