Rz. 27

Die Prorogation kann nur zugunsten des Gerichts eines Mitgliedstaates vereinbart werden. Den Rechtsweg vor die Gerichte von Drittstaaten zu eröffnen steht dem europäischen Gesetzgeber nicht zu. Für Erblasser aus Drittstaaten kann sich die internationale Zuständigkeit eines mitgliedstaatlichen Gerichts also stets nur aus Art. 4, 10, 11 EuErbVO ergeben, unabhängig davon, ob eine Rechtswahl getroffen wurde oder nicht. Ein Gleichlauf zwischen der Zuständigkeit des mitgliedstaatlichen Gerichts und dem anwendbaren Recht kann dann nicht erreicht werden. Die EuErbVO bietet nicht einmal die Möglichkeit, in diesen Fällen die Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedstaaten zu derogieren.[24] Ist also ein englischer Erblasser, der sein Heimatrecht zum Erbstatut bestimmt hatte, mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland verstorben, so können dessen Erben nicht verbindlich vereinbaren, dass keiner von ihnen später das Verfahren später nach Art. 4 EuErbVO vor ein deutsches Gerichte bringen darf.

 

Rz. 28

Die Gerichtsstandsvereinbarung muss zwischen allen betroffenen Parteien abgeschlossen werden. Wer zu diesen Betroffenen zählt, ist von der EuErbVO nicht näher definiert. Nach ErwG 28 soll von Fall zu Fall zu entscheiden sein, ob sämtliche vom Nachlass berührten Parteien der Vereinbarung zustimmen müssen oder ob im Einzelfall der Gegenstand des Verfahrens so begrenzt ist, dass über die an der Vereinbarung konkret beteiligten Personen niemand anderes von der Entscheidung des Gerichts berührt wird. Im streitigen Verfahren sind also jedenfalls die formellen Verfahrensparteien betroffen, unter Umständen aber auch weitere Erbprätendenten, Vermächtnisnehmer oder Pflichtteilsberechtigte.[25] Nicht betroffen sind dagegen regelmäßig die Gläubiger des Erblassers. In Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit bereitet die Bestimmung der Betroffenen größte Schwierigkeiten, da die von Amts wegen zu führenden Ermittlungen des Gerichts jederzeit dazu führen können, dass neue Personen entdeckt werden, die ein Interesse am Nachlass haben.[26] Das Auftauchen weiterer, an der Gerichtsstandsvereinbarung nicht beteiligter Betroffener schwebt daher wie ein Damokles-Schwert über dem Verfahren.[27]

 

Rz. 29

Kein Betroffener ist der Erblasser selber, da dieser am Nachlassverfahren per definitionem nicht beteiligt sein kann. Er setzt zwar mit seiner Rechtswahl die Grundvoraussetzung dafür, dass seine Hinterbliebenen eine gerichtliche Entscheidung in seinem Heimatstaat unter den Voraussetzungen der Art. 5 ff. EuErbVO herbeiführen können. Die EuErbVO gibt ihm aber keine Möglichkeit, selber einen bestimmten Gerichtsstand mit Bindung für seine Rechtsnachfolger festzulegen; selbst eine erbvertragliche Festlegung wäre hierüber nicht verbindlich möglich.[28] Diese Entscheidung ist in der Literatur auf Kritik gestoßen.[29] Sie soll bei einer späteren Evaluation der Verordnung überprüft werden. Nach derzeitigem Recht sind die Gestaltungsmöglichkeiten des Erblassers im Hinblick auf seine verfahrensrechtliche Nachlassplanung jedenfalls begrenzt. Er kann den Erben eine testamentarische Auflage machen, einen bestimmten Gerichtsstand zu prorogieren. Er kann ferner sein Vermögen zu Lebzeiten in einen Trust überführen, in welchem Falle er ein einseitiges Prorogationsrecht nach Art. 25 Abs. 3 Brüssel Ia-VO hat.[30] Schließlich kann er nach § 1066 ZPO ein Schiedsverfahren für Streitigkeiten über seinen Nachlass vorsehen.[31]

 

Rz. 30

Die Form der Gerichtsstandsvereinbarung ist in Art. 5 Abs. 2 EuErbVO geregelt. Notwendig ist die Einhaltung der Schriftform einschließlich der eigenhändigen Unterschrift aller Parteien. Außerdem ist die Vereinbarung zu datieren. Die Schriftform kann ersetzt werden durch eine elektronische Form, die eine dauerhafte Aufzeichnung ermöglicht. In diesem Falle wird die Unterschrift mittels elektronischer Signatur zu leisten sein. Hat eine Partei die Vereinbarung nicht unterschrieben oder keine zulässige elektronische Signatur verwendet, so ist sie nicht an der Gerichtsstandsvereinbarung beteiligt. Sie kann allerdings nach Art. 7 lit. c EuErbVO die Zuständigkeit des Gerichts noch nachträglich ausdrücklich anerkennen, wenn sie dies weiterhin wünscht. Ob die Einigung auf einen Gerichtsstand zwischen den Beteiligten auch materiellrechtlich wirksam ist, bestimmt sich nach dem Erbstatut.[32]

 

Rz. 31

Die vereinbarte Zuständigkeit nach Art. 5 Abs. 1 EuErbVO ist eine ausschließliche, die Parteien können also nicht mehr statt des prorogierten das allgemein nach Art. 4, 10 EuErbVO zuständige Gericht anrufen.[33] Tun sie dies doch, so erklärt sich dieses Gericht nach Art. 6 lit. b, Art. 15 EuErbVO von Amts wegen für unzuständig. Eine Abgabe an die Gerichte eines anderen Mitgliedstaates ist nicht vorgesehen. Allerdings hat die Unzuständigkeitserklärung des zuerst angerufenen Gerichts Prorogationswirkung; das Gericht, welches in der Gerichtsstandsvereinbarung genannt ist, ist dann nämlich nach Art. 7 lit. a EuErbVO an diese Erklärung gebunden und darf zur V...

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