Rz. 73

Vom Grundsatz her haben die Homeoffice-Beschäftigten betriebsverfassungsrechtlich die gleichen Rechte wie die sonstigen Arbeitnehmer im Betrieb.[183] Hierbei folgt die persönliche Anwendbarkeit des Betriebsverfassungsgesetzes unmittelbar aus der Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft (§ 5 Abs. 1 BetrVG). Aber auch in Heimarbeit Beschäftigte, damit also Selbstständige, die in der Hauptsache für den Betrieb arbeiten, gelten gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 BetrVG als Arbeitnehmer des Betriebes. Trotz der Regelung in § 5 Abs. 1 S. 2 BetrVG, die erst recht für Arbeitnehmer entsprechend gelten muss, ist es jedoch nicht unumstritten, ob etwa Homeoffice betriebsverfassungsrechtlich noch dem Hauptbetrieb zugeordnet werden können.[184] Das Bundesarbeitsgericht versteht in ständiger Rechtsprechung den Betrieb im Sinne des BetrVG als organisatorische Einheit, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke verfolgt, die sich nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpfen.[185] In Bezug auf Homeoffice-­Beschäftigte ist aber zu beachten, dass der betriebsverfassungsrechtliche Betriebsbegriff nicht allein räumlich zu verstehen ist.[186] Der Betrieb endet mit den Worten des Bundesarbeitsgerichts gerade nicht mit der Grenze des Betriebsgrundstückes oder der Betriebsräume.[187] Vielmehr kommt es auf ein funktionales Verständnis an. Maßgeblich ist also bei den im Homeoffice tätigen Arbeitnehmern gerade, wie stark sie in die Organisation des eigentlichen Betriebes eingegliedert sind. Hierbei ist nicht so sehr die gewählte Telekommunikationsverbindung maßgeblich. Schließlich kann es nicht darauf ankommen, auf welchen Server der Telearbeiter zugreift, wenn er die für die Arbeit benötigten Daten übermittelt.[188] Ausschlaggebend ist m.E., inwieweit das Homeoffice mit den betrieblichen Arbeitsabläufen verknüpft ist. Die entscheidende Frage ist also, ob das Homeoffice mit dem Betrieb eine organisatorische Einheit darstellt. Für so genannte Nachbarschafts- und Satellitenbüros könnte dagegen die Regelung in § 4 BetrVG einschlägig sein. Danach gelten Betriebsteile als selbstständige Betriebe, wenn sie über die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG hinaus räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sind oder durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig sind. Jedoch wird man in der Regel nicht annehmen können, dass derartige Nachbarschafts- und Satellitenbüros durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig sind. Vielmehr handelt es sich um Organisationsformen, die in der Regel in den Organisationsablauf des Hauptbetriebes eingebunden sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn in den Nachbarschafts- und Satelliten­büros an Online-Telearbeitsplätzen gearbeitet wird. In diesem Fall führt gerade die Online-Verbindung dazu, dass hier eine Einbindung in den Hauptbetrieb erfolgt.[189] Aber auch in Bezug auf die räumliche Entfernung wird man feststellen müssen, dass es hierbei nicht auf die Entfernung im geografischen Sinne ankommt. Stattdessen ist bei der Beurteilung dieser Frage die moderne Kommunikationstechnik zu berücksichtigen. Bei Homeoffice-Beschäftigten, die über eine Online-Verbindung arbeiten und die aufgrund der vorhandenen Informations- und Kommunikationstechnik über elektronische Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Betrieb, aber auch mit dem Betriebsrat verfügen, kann man in der Regel keine räumlich weite Entfernung i.S.d. § 4 Abs. 1 BetrVG annehmen.[190]

 

Rz. 74

Wenn aber das BetrVG in der Regel auch auf Homeoffice-Beschäftigte, zumindest wenn sie im häuslichen Bereich tätig sind, Anwendung findet, so bedeutet dies, dass in Bezug auf diese Arbeitsplätze der Betriebsrat alle Rechte wahrnehmen kann, die er auch in Bezug auf Arbeitsplätze im Betrieb wahrzunehmen berechtigt ist. Dies betrifft nicht nur die Informationsrechte des Betriebsrates nach § 90 BetrVG.[191] Danach hat der Arbeitgeber den Betriebsrat rechtzeitig unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen über die geplante Ausgestaltung von Arbeit im Homeoffice zu unterrichten. Darüber hinaus trifft ihn die Pflicht, die im Zusammenhang mit Einsatz von Telearbeit/Homeoffice geplanten Maßnahmen so rechtzeitig mit dem Betriebsrat zu beraten, dass dessen Vorschläge ohne Bedenken hinsichtlich dieser Maßnahmen Berücksichtigung finden können.[192] Des Weiteren hat der Arbeitgeber die Mitwirkungsrechte des Betriebsrates im Rahmen der Personalplanung (§ 92 BetrVG) zu beachten. Kommt es zu einer Begehung des Homeoffice durch den Arbeitgeber, so hat der Betriebsrat zudem gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG das Recht, an dieser Begehung teilzunehmen.[193]

[183] Boemke/Ankersen, BB 2000, 2254.
[184] Wank, AR-Blattei-SD, 1565 Telearbeit, Rn 30 a.
[185] BAG 9.6.1999 – 1 AZR 831/98, AP Nr. 47 zu § 111 BetrVG 1972; Fitting u.a., § 1 BetrVG Rn 93.
[186] Däubler, Digitalisierung und Arbeitsrecht, S. 433, § 16 Rn 24; HzA/Linck, Gruppe 17 Teil B Rn 469.

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