Rz. 1

Das Recht der einstweiligen Anordnung wurde durch das FamFG grundlegend verändert. Die ausdrücklich in § 49 FamFG geregelte einstweilige Anordnung ersetzt sowohl die zuvor im FGG nicht existente und lediglich auf Richterrecht beruhende vorläufige Anordnung[1] als auch die bis zum 31.8.2009 in den §§ 620 ff., 621g ZPO geregelte einstweilige Anordnung.

 

Rz. 2

Der Eilrechtschutz trägt allgemein – und gerade in Kindschaftssachen – dem in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG grundrechtlich verbrieften Anspruch des Antragstellers auf Justizgewährung in seiner Ausprägung als Recht auf effektiven Rechtsschutz Rechnung. Die einstweilige Anordnung dient der Verfahrensbeschleunigung.[2] Sie zielt darauf ab, weitere gerichtliche Maßnahmen entbehrlich zu machen, wenn bereits in dem Eilverfahren eine Regelung gefunden werden kann, die die Zustimmung der Verfahrensbeteiligten findet und eine weitere Entscheidung zur Hauptsache nicht für erforderlich gehalten wird. Der Gesetzgeber knüpft hieran die Erwartung, dass es zu einer Entlastung der Gerichte kommt, d.h. diese möglicherweise in weiterem Umfang als bislang nicht mehr mit aufwändigeren Hauptsacheverfahren belastet werden.[3] Gleichzeitig sollen die Verfahrensbeteiligten kostenmäßig entlastet werden.

 

Rz. 3

Die grundlegenden Regelungen zur einstweiligen Anordnung sind in den §§ 4957 FamFG ­enthalten, die jedoch für Kindschaftssachen durch §§ 156 Abs. 3, 157 Abs. 3 FamFG ergänzt werden.

 

Rz. 4

Unverändert ist das einstweilige Anordnungsverfahren – auch in Kindschaftssachen – ein summarisches Verfahren (siehe dazu eingehend Rdn 21),[4] das der vorläufigen Sicherung eines Rechts oder Zustands dient und nach dem Grundgedanken der einstweiligen Verfügung gemäß der ZPO aufgebaut ist. Ebenso wie diese setzt sie sich aus der Anordnung selbst und dem Vollzug der Sicherung zusammen.[5]

Aus dem grundrechtlich gesicherten Schutz des Elternrechts sowie der Verpflichtung des Staates, über die Ausübung des Elternrechts im Interesse des Kindeswohls zu wachen, ergeben sich allerdings Folgerungen für das Verfahrensrecht und seine Handhabung im summarischen Verfahren (siehe Rdn 6).[6]

 

Rz. 5

Aufgrund des eingeschränkten Prüfungsmaßstabes im summarischen Verfahren und der höheren Bestandskraft einer Hauptsacheentscheidung (§ 1696 Abs. 1 BGB) lässt ein kindschaftsrechtliches einstweiliges Anordnungsverfahren in aller Regel das Rechtsschutzbedürfnis für ein deckungsgleiches Hauptsacheverfahren nicht entfallen[7] (zur Frage der verfahrenskostenhilferechtlichen Mutwilligkeit siehe § 8 Rdn 13).

 

Rz. 6

Im Ausgangspunkt gelten hinsichtlich der Tatsachenfeststellung und Rechtsanwendung die bekannten Maßstäbe des Eilrechtsschutzes (siehe dazu Rdn 21).

Das gerichtliche Verfahren muss allerdings in Kindschaftssachen in besonderem Maße in seiner Ausgestaltung dem Gebot effektiven Grundrechtsschutzes entsprechen. Das gilt insbesondere für einstweilige Maßnahmen, die bereits dadurch, dass sie später nicht oder nur schwer rückgängig zu machende Tatsachen schaffen, mit einem erheblichen Eingriff in ein Grundrecht verbunden sind.[8] Gerade in kindschaftsrechtlichen Eilverfahren sind Eingriffe in das elterliche Sorgerecht einzelfallbezogen in besonderem Maße einer Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu unterziehen.[9] Denn schon die Frage, ob mit der Eingriffsmaßnahme nicht bis zu einer besseren Aufklärung des Sachverhalts abgewartet werden kann, ist am Maßstab der Verhältnismäßigkeit zu messen, weil vorläufige Maßnahmen zum einen leicht vollendete Tatsachen schaffen und Eilmaßnahmen auf der Grundlage eines noch nicht zuverlässig aufgeklärten Sachverhalts ergehen.[10] Ist ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung wegen der Eilbedürftigkeit nicht möglich (die Sache also im Sinne von § 49 Abs. 1 FamFG dringend), müssen daher zumindest die im Eilverfahren zur Verfügung stehenden Aufklärungs- und Prüfungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden.[11] Da auch eine nur vorläufige Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für ein Kind die Hauptsacheentscheidung häufig präjudiziert, muss eine – wenngleich summarische – Bewertung aller Sorgerechtskriterien vorgenommen werden.[12] Führt diese summarische Abwägung nicht zu einem erkennbaren Übergewicht eines Elternteils, wird sich regelmäßig die derzeit bestehende (ggf. vorläufige) Kontinuität durchsetzen.[13] Auch bei anderen einschneidenden Maßnahmen, etwa, wenn ein vorläufiger Entzug von Teilen des Sorgerechts nach § 1666 BGB oder ein vorläufiger Umgangsausschluss in Betracht gezogen wird, ist eine höhere Prüfungsdichte angezeigt.[14] In diesen Fällen muss sich die materiellrechtlich geforderte hohe Prognosesicherheit – "mit ziemlicher Sicherheit" – tatsächlich einstweilen erzielen lassen.[15] Da eine Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in Rede steht, bleiben die praktisch verfügbaren Aufklärungsmöglichkeiten angesichts der spezifischen Eilbedürftigkeit dieser Verfahren allerdings regelmäßig hinter den im Hauptsacheverfahren bestehenden Möglic...

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