Rz. 36

Bedingt durch die fehlende Akzessorietät des Eilverfahrens zum Hauptsacheverfahren ist es nicht zwingend erforderlich, dass in jedem Fall eine erneute Überprüfung der Eilentscheidung in einem Hauptsacheverfahren erfolgt.

 

Rz. 37

Ist die einstweilige Anordnung von Amts wegen erlassen worden, hat das Gericht eigenständig zu prüfen, ob es von Amts wegen ein Hauptsacheverfahren einleitet. Hierfür wird meist viel sprechen, weil das Hauptsacheverfahren sich nicht mit einer summarischen Prüfung des Sachverhalts begnügt, so dass umfassend ermittelt werden kann, welche Maßnahmen dem Kindeswohl entsprechen. Denn das Hauptsacheverfahren dient nach allgemeinen Grundsätzen der Überprüfung der einstweiligen Anordnung unter umfassender Prüfung der Sach- und Rechtslage.[86]

 

Rz. 38

Stellt ein Beteiligter den Antrag auf Einleitung des Hauptsacheverfahrens, so ist hierfür stets das Gericht örtlich zuständig, das die einstweilige Anordnung erlassen hat; dies folgt aus dem Gesamtzusammenhang der Vorschrift und der Verwendung des Begriffs "das Gericht" in § 52 Abs. 1 FamFG; das Gericht kann indes das Verfahren nach § 4 FamFG an ein anderes Gericht abgeben.[87] Dem Antrag ist sowohl in den Amtsverfahren als auch in den reinen Antragsverfahren zu entsprechen, § 52 Abs. 1 S. 1 FamFG; das Gericht hat hier kein tatrichterliches Ermessen.[88] Um gleichwohl einem überstürzten Drängen in das Hauptsacheverfahren entgegenzuwirken, kann das Gericht mit Erlass der einstweiligen Anordnung eine Frist setzen, binnen derer ein solcher Antrag unzulässig ist. Eine solche Fristsetzung ist allerdings nach der Systematik des § 52 FamFG nur in Amtsverfahren zulässig, nicht in Antragsverfahren wie etwa dem nach § 1671 BGB.[89] Die Frist darf außerdem drei Monate nicht überschreiten (§ 52 Abs. 1 S. 2 FamFG). Zutreffend wird zudem in der Gesetzesbegründung darauf hingewiesen, dass diese Frist kürzer zu bemessen ist, wenn es sich um eine unanfechtbare Eilentscheidung handelt und in die Rechte eines Beteiligten schwerwiegend eingegriffen wurde.[90] Hier stehen insbesondere vorläufige Umgangsausschlüsse und Fälle in Rede, in denen das Kind einstweilen von seiner Bezugsperson getrennt wurde.

 

Rz. 39

In den reinen Antragsverfahren sieht § 52 Abs. 2 S. 1 FamFG vor, dass dem Verfahrensbeteiligten, der das einstweilige Anordnungsverfahren eingeleitet hat, auf Antrag eines anderen Beteiligten auch die Einleitung des Hauptsacheverfahrens aufgegeben wird. Dies ist an § 926 ZPO (Anordnung der Klagerhebung) angelehnt. Insbesondere der Antragsgegner kann auf diesem Weg binnen einer Frist von längstens drei Monaten (§ 52 Abs. 2 S. 2) ein Hauptsacheverfahren erzwingen. Das Gericht muss dem Antrag in der Regel entsprechen, es hat nur bezüglich der Fristsetzung ein nach unten offenes Ermessen. Ausnahmsweise kann es eine Fristsetzung ablehnen, wenn damit kein sinnvolles Rechtsschutzziel mehr verbunden ist.[91]

Lehnt das Gericht den Antrag auf Bestimmung einer Frist ab, so ist hiergegen die sofortige Beschwerde analog §§ 567 ff. ZPO gegeben.[92] Dafür spricht insbesondere die Sachnähe zur Verfahrensaussetzung, die nach § 21 Abs. 2 FamFG ebenfalls mit sofortiger Beschwerde angefochten werden kann. Leistet derjenige, der die einstweilige Anordnung erwirkt hatte, der Anordnung der Antragstellung zur Hauptsache nicht fristgerecht Folge, so ist die einstweilige Anordnung zwingend aufzuheben, § 52 Abs. 2 S. 3 FamFG. Antragstellung erfordert nach zutr. h.M. Rechtshängigkeit, allerdings einschließlich der Vorwirkung nach § 167 ZPO.[93] Der Aufhebungsbeschluss ist anfechtbar, wenn auch die einstweilige Anordnung nach § 57 FamFG anfechtbar wäre.[94]

[88] Kemper/Schreiber/Stockmann, § 52 Rn 4.
[90] Kemper/Schreiber/Stockmann, § 52 Rn 4.
[91] OLG Dresden, Beschl. v. 5.7.2016 – 20 UF 409/16, juris; ebenso OLG Karlsruhe FamRZ 2011, 571 mit zahlreichen Beispielen.
[92] OLG Karlsruhe FamRZ 2011, 571 (arg. § 926 ZPO) m. krit. Anm. van Els; ebenso Giers, FGPrax 2011, 1, 2; Weinreich, FuR 2011, 301, 306; a.A. – Beschwerde nach § 58 FamFG – OLG Stuttgart FamRZ 2015, 2078; eine Anfechtbarkeit vollständig ablehnend Zöller/Feskorn, § 52 Rn 5; Thomas/Putzo/Reichold, § 52 Rn 7; dazu neigend, aber im Ergebnis offenlassend OLG Dresden, Beschl. v. 5.7.2016 – 20 UF 409/16, juris.
[93] Siehe dazu eingehend Holznagel, NZFam 2015, 494 m.z.w.N. auch zur Gegenmeinung.

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