Rz. 101

Den Ablauf der Versammlung bestimmt der Versammlungsleiter (das ist gem. § 24 Abs. 5 WEG im Normalfall der Verwalter, weshalb nachfolgend vereinfacht "Verwalter" und "Versammlungsleiter" gleichgesetzt werden) aus eigener Kompetenz nach seinem Ermessen. Die Letztentscheidungskompetenz hat aber stets die Eigentümerversammlung, die die Entscheidungsmacht an sich ziehen und alle Fragen des Versammlungsablaufs per Beschluss (sog. Verfahrens- oder Geschäftsordnungsbeschluss (→ § 7 Rdn 66) regeln kann. Der empfohlene Ablauf der Versammlung wird nachfolgend dargestellt.

 

Rz. 102

Der Verwalter erscheint rechtzeitig vor Beginn der Versammlung.
Die Teilnehmer tragen sich zu Beginn in eine vorbereitete Anwesenheitsliste ein. Diese kann später in Kopie zusammen mit dem Protokoll versandt werden. Beide Vorschläge sind nicht zwingend, aber sinnvoll und üblich.
Der Verwalter prüft das Teilnahmerecht der erschienenen Personen, insbesondere etwaige Vollmachten.
Er eröffnet die Versammlung. Es ist üblich, aber überflüssig, nach den einführenden Worten ("Ich begrüße Sie herzlich zur Versammlung der WEG Musterstraße 8") die Feststellung zu treffen, dass form- und fristgerecht eingeladen wurde. Natürlich muss form- und fristgerecht eingeladen worden sein; aber ein Anlass, dies zu thematisieren, besteht nicht. Auch die früher übliche Feststellung der Beschlussfähigkeit ist überflüssig, da nach dem geltenden Recht jede Versammlung beschlussfähig ist.

Einige Formalia werden abgearbeitet:

Vorstellung und ggf. Bestätigung des Versammlungsleiters (→ § 7 Rdn 64).
Feststellung der Anwesenheit "Externer", ggf. Entscheidung der Versammlung über Teilnahme oder Ausschluss (→ § 7 Rdn 76).
Bestimmung eines Miteigentümers, der später das Protokoll unterzeichnet (→ § 7 Rdn 145) oder mehrerer, wenn die Teilungserklärung das vorsieht (→ § 7 Rdn 146).
Die Tagesordnung wird abgearbeitet. Deren Reihenfolge ist einzuhalten, wenn sie nicht durch Verfahrensbeschluss geändert wurde.
Anträge zum Verfahren sind jederzeit zulässig und i.d.R. vor den Sachanträgen zu behandeln (→ § 7 Rdn 67).
Der Verwalter leitet die Diskussionen und Abstimmungen (Beschlussfassungen).
Jeder Teilnehmer hat das Recht zu reden und Anträge zu stellen. Grundsätzlich ist jedem Teilnehmer, der sich zu Wort meldet, auch tatsächlich das Wort zu erteilen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz kann aber ein Einschreiten gebieten, wenn ein Teilnehmer durch weitschweifige Ausführungen den Versammlungsablauf stört. Eine sinnvolle Beschränkung der Redezeit (möglichst durch Verfahrensbeschluss und nur für die aktuelle Versammlung) ist rechtmäßig.[125]
Über die Zulässigkeit von Essen entscheidet im Streitfall die Versammlung durch Verfahrensbeschluss. Das Rauchen im Versammlungsraum ist wegen der gesundheitlichen Gefahren des Passivrauchens in den meisten Fällen schon aufgrund der Nichtraucherschutzgesetze verboten; dass eine Versammlung in eine "Raucherkneipe" einberufen wird, ist kaum vorstellbar. Auf Antrag eines Miteigentümers ist das Rauchen jedenfalls zu untersagen.[126]
In Pandemiezeiten stellt sich die Frage nach Hygiene- bzw. Infektionsschutzmaßnahmen. Insoweit sind jedenfalls die jeweiligen landesrechtlichen Verordnungen ohne weiteres zu beachten; sie stehen auch der Einberufung einer Versammlung nicht entgegen (→ § 7 Rdn 5). Aber auch ohne zwingende gesetzliche Anordnung können die Eigentümer aus gegebenem Anlass dem Infektionsschutz dienende Maßnahmen durch Beschluss einführen, bspw. die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Versammlungsraum.[127] Soweit kein Beschluss vorliegt, kann der Verwalter (als Versammlungsleiter und Inhaber des Hausrechts) entsprechende Anordnungen treffen.
Wenn ein Teilnehmer nachhaltig und trotz Androhung des Ausschlusses die Versammlung stört, kann er ausgeschlossen werden.[128] Dem Verwalter ist zu empfehlen, den Ausschluss nicht aus eigener Befugnis heraus zu bestimmen (obwohl er dies könnte, weil ihm als Organ der Gemeinschaft das Hausrecht zusteht), sondern einen Beschluss der Versammlung (Verfahrensbeschluss) herbeizuführen. Der Verwalter ist berechtigt und verpflichtet, für die Entfernung der ausgeschlossenen Person aus dem Versammlungsraum zu sorgen.[129] Das kann und muss zur Not mit Gewalt geschehen. Der Einsatz von Zwangsmitteln ist unter dem Gesichtspunkt der Notwehr zivil- und strafrechtlich gerechtfertigt (§§ 227 BGB, 32 StGB): Der Verbleib eines ausgeschlossenen Miteigentümers im Versammlungsraum stellt einen rechtswidrigen Angriff auf das Hausrecht bzw. einen Hausfriedensbuch i.S.v. § 123 StGB dar.
Der Verwalter kann die Versammlung bei Bedarf unterbrechen (→ § 7 Rdn 96). Das Ende der Versammlung wird vom Verwalter förmlich erklärt, wenn alle Tagesordnungspunkte behandelt sind oder wenn die Versammlung die Vertagung beschließt. Die Vertagung ist sinnvoll, wenn nicht sogar zwingend, wenn die Versammlung über eine angemessene Dauer hinausgeht. Nicht alle Eigentümer können es (sich) leisten, bis tief in di...

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