Rz. 8

Während der anwaltlichen Tätigkeit können diverse besondere Auslagen entstehen, deren Erstattungspflicht des Auftraggebers gegenüber seinem RA nicht in den Nrn. 7000 ff. VV RVG ausdrücklich geregelt sind. Gem. Vorbem. 7 Abs. 1 VV RVG kann der RA auch Ersatz der so entstandenen Aufwendungen gem. § 675 i.V.m. § 670 BGB verlangen. Nach § 670 BGB ist der Auftraggeber zum Ersatz der Aufwendungen verpflichtet, wenn sie zum Zwecke der Auftragsausführung im Einzelfall nach Auffassung des RA den Umständen nach erforderlich waren. Dem RA kommt ein Ermessen zu.

Erforderlich sind die vom RA veranlassten Aufwendungen, wenn die gewählte Maßnahme nach sorgfältiger Prüfung der dem RA bekannten Umstände vernünftigerweise veranlasst wurde.[13] Dabei ist es unschädlich, wenn sich nach Durchführung der Maßnahme herausstellt, dass ein nützlicher Effekt nicht erzielt wurde.[14] Bei der Beurteilung, ob die vom RA veranlasste Maßnahme vernünftig war, kommt es auf die Kenntnisse der Umstände zum Zeitpunkt der einleitenden Handlung an. Maßgeblich ist also allein die Ex-ante-Sicht. Diese Betrachtungsweise ist vor allem im Hinblick auf Zwangsvollstreckungsmaßnahmen von Bedeutung, wenn z.B. der GV mit der Sachpfändung beauftragt wird, der GV aber den Schuldner nicht antrifft und demzufolge weder eine gütliche Einigung gelingt noch körperliche Sachen gepfändet werden können, oder wenn die Pfändung des Arbeitseinkommens ohne Erfolg bleibt, da der Schuldner zum Zeitpunkt der Zustellung des Pfändungsbeschlusses keine Ansprüche mehr gegenüber dem Drittschuldner hat oder das Arbeitseinkommen die Pfändungsfreigrenze nicht übersteigt. Die Kosten des Gerichtsvollziehers sind ebenso wie die Kosten für den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss sowie dessen Zustellung als erforderliche Aufwendungen nach Vorbem. 7 Abs. 1 VV RVG i.V.m. §§ 675, 670 BGB zu erstatten.

 

Rz. 9

 

Checkliste

Im Rahmen der Forderungsdurchsetzung können nachfolgende Auslagen entstehen, deren Erstattungsanspruch sich aus der vorbenannten Anspruchsgrundlage begründen lässt:

Gebühren für Einwohnermeldeamtsauskünfte,
Gebühren für Gewerbe- und Handelsregisterauskünfte,
Gebühren für sonstige Registerauskünfte, etwa das Personenstandsregister,
Aufwendungen für Bonitäts-[15] und Wirtschaftsauskünfte,[16]
Detektivkosten,[17]
Ermittlungskosten zu Aufenthalt, Einkommen und Vermögen eines Schuldners,
Kosten für Grundbuchauszüge[18] oder sonstige Registerauszüge im konkreten Einzelfall,
verauslagte Gerichtskosten,
verauslagte Gerichtsvollzieherkosten,
Auslagenvorschüsse für Zeugen und Sachverständige,
Kosten für die Ermittlung von Zeugen,
verauslagte Kosten besonderer Zustellungen,
Kosten bei Beauftragung eines externen Außendienstes,[19]
Recherchekosten in juristischer Datenbank für Einzelfall (nicht Grundkosten),
Aufwendungen für juristische Mitarbeiter bei der Sichtung umfangreicher Unterlagen,[20]
Übersetzungskosten,
Akteneinsichts- und -übersendungskosten,
Kosten zur Beschaffung notwendiger Urkunden,
Rücklastschriftkosten,
Kosten für Testkäufe in Wettbewerbssachen.

Die Erstattungsfähigkeit ist weitgehend unstreitig, so dass kaum veröffentlichte Rechtsprechung zu finden ist. Am Ende kommt es auf die Umstände des Einzelfalles aus der Ex-ante-Sicht nach Maßgabe der nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Rechtsanwaltes zu bestimmenden Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit an.

 

Rz. 10

Der Auslagenersatzanspruch gem. § 675 i.V.m. § 670 BGB setzt grundsätzlich voraus, dass der RA bereits beauftragt wurde und dementsprechend zwischen RA und Mandant der Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter nach §§ 675, 611 BGB besteht. Aufgrund dieses Grundsatzes scheidet in der Regel ein reiner Anspruch auf Erstattung von Auslagen aus, da die Entstehung der Auslagen im Zusammenhang mit einer gebührenpflichtigen Tätigkeit steht. Denkbar ist ein isolierter Auslagenersatz allenfalls, wenn der RA im Vertrauen darauf, dass ein Auftrag zustande kommt, Aufwendungen tätigt, die für den Mandanten von Interesse sind und dann doch ein Auftrag nicht zustande kommt.[21]

 

Rz. 11

 

Beispiel

Der Auftraggeber ist Inhaber einer Kleinstforderung von 50,00 EUR und will die Beauftragung des RA davon abhängig machen, dass keine Eintragungen im Schuldnerverzeichnis über den Schuldner existieren. Der RA ruft die Daten aus dem Vollstreckungsportal ab und hat hierfür 4,50 EUR Auslagen aufzuwenden. Über den Schuldner sind Eintragungen gem. § 882c Abs. 1 Nr. 2 ZPO (Gläubigerbefriedigung ausgeschlossen) vorhanden, so dass der Mandant den Auftrag zur Forderungseinziehung nicht erteilt. Der RA hat Anspruch auf Erstattung der aufgewendeten 4,50 EUR. Eine Gebühr etwa nach Nr. 2300 oder Nr. 3309 VV RVG scheitert am fehlenden Auftrag Daneben entstehen Gebühren allenfalls für die Beratung.

[13] Palandt/Sprau, BGB, § 670 Rn 4; BGH NJW 2012, 2781.
[14] Palandt/Sprau, BGB, § 670 Rn 4; BGH NJW-RR 1994, 87.
[15] LG Hannover AnwBl 1989, 687.
[16] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV Vorb. 7 Rn 23.

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