A. Reichweite

 

Rz. 1

Im Gegensatz zur Entziehung der Fahrerlaubnis gem. § 69 StGB lässt das Fahrverbot die Fahrerlaubnis unberührt, es untersagt nur für die festgesetzte Zeit, von der Erlaubnis Gebrauch zu machen. Deshalb verliert der Fahrer auch nicht während eines laufenden Fahrverbotes seinen Versicherungsschutz (BGH zfs 1987, 147).

B. Achtung: Jetzt auch ohne Zusammenhang mit dem Straßenverkehr

 

Rz. 2

Bis zu der am 24.8.2017 (BGBl I S. 3202) in Kraft getretenen Gesetzesänderung kam ein Fahrverbot nur dann in Frage, wenn ein Kraftfahrer gegen die im Straßenverkehr bestehenden Pflichten verstoßen hatte.

Jetzt kann ein Fahrverbot (auch ohne dass ein Zusammenhang mit dem Straßenverkehr bestehen müsste) verhängt werden, wenn die Verhängung zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung erforderlich erscheint oder hierdurch die Verhängung einer Freiheitsstrafe oder deren Vollstreckung vermieden werden kann. Vor allem, wenn eine kurze Freiheitsstrafe verhängt werden soll, muss das Gericht jetzt besonders eingehend begründen, warum eine solche nicht mit der Verhängung eines Fahrverbotes vermieden werden kann (OLG Düsseldorf DAR 2019, 631; OLG Stuttgart NZV 2019, 632).

C. Gegen Führer eines Kraftfahrzeuges

 

Rz. 3

Ansonsten kommt gegen einen Kraftfahrer das Fahrverbot nach § 44 StGB grundsätzlich nur dann in Frage, wenn er seine Pflichten nicht unerheblich verletzt hat, jedoch noch nicht in einem solchen Maße, dass von seiner Ungeeignetheit auszugehen wäre (BVerfGE 27, 36).

 

Rz. 4

Wie das Fahrverbot des § 25 StVG hat auch das nach § 44 StGB Warnfunktion und damit in erster Linie spezialpräventive Ziele (OLG Stuttgart DAR 1998, 153).

 

Rz. 5

Als Nebenstrafe setzt es gem. § 44 Abs. 1 S. 1 StGB eine Verurteilung zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe voraus. Diese Voraussetzungen erfüllt z.B. eine Verwarnung mit Strafvorbehalt nicht (OLG Stuttgart NZV 1994, 405; OLG Frankfurt NZV 2014, 136).[1]

 

Rz. 6

Es muss auch dann verhängt werden, wenn trotz Vorliegens eines Regelfalles nach § 69 Abs. 2 StGB (z.B. wegen langer vorläufiger Entziehung) die Fahrerlaubnis nicht entzogen wird. Das gilt, obwohl das ausgesprochene Fahrverbot wegen der nach § 51 Abs. 1 S. 5 StGB zwingenden Anrechnungsvorschrift als verbüßt gilt (BGH NJW 1980, 130). Die Rechtsprechung will damit eine entsprechende registerrechtliche Eintragung sicherstellen.

 

Rz. 7

 

Achtung: Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr nicht Voraussetzung

Anders als die Entziehung der Fahrerlaubnis setzt die Verhängung eines Fahrverbotes nicht voraus, dass die Tat im öffentlichen Straßenverkehr begangen worden ist (LG Stuttgart NZV 1996, 213).

[1] Siehe auch Timm, NZV 2014, 112.

D. Kein Regelfall

 

Rz. 8

Im Gegensatz zum Fahrerlaubnisentzug nach § 69 Abs. 2 StGB oder zum Fahrverbot des § 25 StVG gibt es hier keine Regelfälle, ein Fahrverbot kommt vielmehr erst in Betracht, wenn der spezialpräventive Erfolg mit einer Geldstrafe allein nicht mehr erreicht werden kann. Zwischen der Höhe der Hauptstrafe und einem Fahrverbot besteht nämlich eine Wechselwirkung und generalpräventive Erwägungen spielen hier keine Rolle (KG DAR 2007, 594; OLG Hamm zfs 2017, 289).

Selbst Verkehrsstraftaten, wie z.B. eine Unfallflucht, rechtfertigen nicht automatisch die Verhängung eines Fahrverbotes (LG Amberg zfs 2006, 289), wie hier ein Fahrverbot selbst dann unzulässig sein kann, wo die Tat im Falle einer Aburteilung in einem OWi-Verfahren mit einem Regelfahrverbot hätte sanktioniert werden müssen (OLG Hamm DAR 2004, 535).

Vor der Verhängung eines Fahrverbotes muss der Richter deshalb sämtliche Auswirkungen der Tat, der Geldstrafe und eines eventuellen Fahrverbotes auf den Täter berücksichtigen, was z.B. bei einem Berufskraftfahrer oder einem Handelsvertreter zur Beschränkung eines Fahrverbotes zwingen kann, zumal sich hier ein Fahrverbot nicht erst wie bei § 25 StVG verbietet, wenn die Grenze zur Unverhältnismäßigkeit erreicht ist (LG Cottbus DAR 2007, 716, zu den Ausnahmemöglichkeiten im Übrigen siehe § 27 Rdn 100).

Da auf das Fahrverbot als Nebenstrafe die allgemeinen Strafzumessungsregeln anzuwenden sind, kann das Bestreiten der Tat und die damit einhergehende Schuldeinsicht und Reue nicht zur Begründung eines Fahrverbotes herangezogen werden (OLG Köln DAR 1999, 87). Schließlich kann längere Zeit nach der Tat das Fahrverbot als Denkzettelmaßnahme ihren Zweck nicht mehr erreichen und ist deshalb unzulässig (BGH bei Tolksdorf, DAR 2002, 194; OLG Koblenz DAR 2018, 452 sowie § 27 Rdn 49).

 

Achtung: Deklaratorisches Fahrverbot

Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 1980, 130) muss, auch wenn ein Regelfall des § 69, 2 StGB erfüllt ist, die Fahrerlaubnis aber nicht mehr (z.B. wegen längerer vorläufiger Entziehung) entzogen wird, ein Fahrverbot unabhängig davon, dass sich dessen Vollstreckung mit der vorläufigen Entziehung erledigt hat, ausgeurteilt werden. Da nach dem geltenden Registerrecht Verurteilung wegen Verkehrsstraftaten unabhängig von Führerscheinentzug oder Fahrverbot eingetragen werden, hat diese Rechtsprechung nur noch Bedeutung für die Zusammenhangstaten.

 

Tipp: Längere Zeit zwischen Tat und Aburteilung

Die Anordnung eines Fahr...

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