Rz. 9

Vollstreckungsgrundlage sind ferner gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 2 FamFG gerichtlich gebilligte Vergleiche nach § 156 Abs. 2 FamG (siehe dazu § 2 Rdn 237). Bereits nach bisheriger Rechtslage konnten die Eltern im gerichtlichen Verfahren Vereinbarungen protokollieren lassen, die aber als solche nicht vollstreckungsfähig waren,[22] sondern zusätzlich der gerichtlichen Billigung bedurften.[23] Da diese Billigung häufig in einem weiteren Verfahren erfolgte – was dogmatisch wie praktisch allerdings sehr fragwürdig war, weil ein einmal eingeleitetes Umgangsverfahren nur vom Gericht beendet werden kann[24]  –, war hiermit zwangsläufig auch ein Zeitverlust verbunden. Der Gesetzgeber hat die frühere Rechtslage im FamFG fortentwickelt. Ausgangspunkt ist dabei die Pflicht des Staates, sicherzustellen, dass die privatrechtliche Vollstreckung der Herausgabe von Personen nur aufgrund eines Titels möglich ist, den ein Gericht erlassen hat.[25] § 156 Abs. 2 FamFG sieht daher vor, dass im Fall der Herstellung eines Einvernehmens über den Umgang die Umgangsregelung als Vergleich aufzunehmen ist, wenn das Gericht die Regelung billigt. Zwar folgt aus § 36 Abs. 1 FamFG, dass die Verfahrensbeteiligten einen Vergleich nur über solche Verfahrensgegenstände schließen können, bezüglich derer sie überhaupt eine Verfügungsbefugnis haben. Dies ist in den sog. "nichtstreitigen" Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht der Fall.[26] Indessen hat der Gesetzgeber mit § 156 Abs. 2 FamFG als lex specialis die Rechtsfigur des gerichtlich gebilligten Vergleichs geschaffen. Hiernach steht eine Vereinbarung der Beteiligten einer gerichtlichen Entscheidung gleich, wenn das Gericht die Einigung billigt und sie damit als eigene Entscheidung übernimmt. Diese Billigung darf das Gericht aber nur aussprechen, wenn die Vereinbarung dem Kindeswohl nicht widerspricht. Das Gericht ist daher gehalten, in dem Beschluss, durch den der Vergleich gebilligt wird, zumindest kurz die maßgeblichen Gründe darzustellen, aus denen die Wahrung des Kindeswohls folgt. Die gleichen Erwägungen gelten für eine im Vermittlungsverfahren (siehe dazu § 2 Rdn 248 ff.) gemäß § 165 Abs. 4 FamFG erzielte Einigung der Eltern. Auch insoweit geht der Gesetzgeber davon aus, dass der Vergleich einer gerichtlichen Billigung bedarf.

 

Rz. 10

Zu beachten ist aber das Formerfordernis, das mit einem Vergleich einhergeht. Wurde der gerichtlich gebilligte Vergleich entgegen § 36 Abs. 2 S. 2 FamFG i.V.m. § 162 Abs. 1, 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO nicht vorgelesen und genehmigt, ist er nicht wirksam geworden; eine Heilung tritt auch nicht durch die Billigung des Gerichts ein; denn diese setzt gerade – zumal in Ansehung des wegen § 156 Abs. 2 S. 2 FamFG nur noch eingeschränkten Prüfungsmaßstabes des Gerichts – einen formal wirksamen Vergleich voraus. Gleiches gilt, wenn der Vergleich ohne die Zustimmung aller formell Beteiligten geschlossen wird (siehe im Einzelnen § 2 Rdn 240 f.).

 

Rz. 11

Zur streitigen und noch nicht höchstrichterlich geklärten Frage, ob schon in der bloßen Protokollierung des Vergleichs eine gerichtliche Billigung zu sehen ist (siehe § 2 Rdn 243. Zum Erfordernis der Bekanntgabe des Vergleichs siehe Rdn 9 und Rdn 14).

 

Rz. 12

Die Vollstreckung aus einem Umgangstitel ist auch dann noch möglich, wenn der Berechtigte zu einem früheren Zeitpunkt erklärt hat, dass er aus dem Titel keine Rechte mehr herleiten möchte. Denn die Änderung eines Beschlusses oder gerichtlich gebilligten Vergleichs über das Umgangsrecht zwischen dem Kind und dem nicht betreuenden Elternteil ist dem Gericht vorbehalten und unterliegt nicht der vertraglichen Disposition der Eltern.[27] Eine Vollstreckung scheidet allerdings aus, wenn etwa eine Umgangsregelung bereits vor dem Verstoß aufgehoben oder in sonstiger Form überholt ist (siehe dazu Rdn 25).[28] Letzteres ist insbesondere der Fall, wenn im vorausgegangenen Verfahren das Umgangsrecht eines Elternteils geregelt, diesem aber in der Nachfolge das Aufenthaltsbestimmungsrecht für dieses Kind übertragen worden ist; mit dieser Sorgerechtsänderung ist die Umgangsregelung von selbst gegenstandlos geworden.[29] Lag hingegen der Verstoß vor Änderung der Umgangsregelung, so bleibt die Festsetzung von Ordnungsmitteln grundsätzlich möglich.[30] Es tritt insbesondere keine Erledigung des Ordnungsgeldverfahrens ein, da die Ordnungsmittel nicht nur Beuge-, sondern auch Sanktionscharakter haben.[31] Allenfalls können mit Blick auf die – eventuell – weggefallenen spezialpräventiven Gesichtspunkte mildere Ordnungsmittel angezeigt sein.[32]

[22] Oelkers, FamRZ 1995, 449.
[23] OLG Karlsruhe FamRZ 1999, 325; OLG Bamberg FamRZ 1995, 428.
[24] Siehe dazu – zum neuen Recht – OLG Schleswig FamFR 2012, 164, m.w.N.
[25] BT-Drucks 16/6308, S. 217.
[26] Kemper/Schreiber/Völker/Clausius/Wagner, § 156 Rn 5.
[29] Dazu neigend, aber offen lassend OLG Saarbrücken, Beschl. v. 15.3.2012 – 6 UF 22/12 (n.v).
[30] OLG Karlsruhe NZFam 2015, 7...

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