Rz. 47

Anders als das Ordnungsgeld und die Ordnungshaft ist die Anwendung unmittelbaren Zwangs nicht zuvor anzukündigen.[161] Die Vollstreckung obliegt dem zuständigen Gerichtsvollzieher, der sich der Unterstützung der polizeilichen Vollzugsorgane bedienen kann (§ 213 Nr. 2 GVGA). Zugleich hat aber das Gericht die Möglichkeit, gemäß § 88 Abs. 2 FamFG anzuordnen, dass der Gerichtsvollzieher möglichst einen Beamten des Jugendamts zur Vollstreckung hinzuzieht.

 

Rz. 48

Wird – sicher sehr selten – unmittelbarer Zwang angewendet, um einen Umgangstitel durchzusetzen, so darf sich diese nach § 90 Abs. 2 S. 1 FamFG nicht gegen das Kind richten. Die Gewaltanwendung hat sich dann allein gegen denjenigen zu richten, in dessen Gewahrsam sich das Kind befindet. Es leuchtet ein, dass das kaum funktionieren kann – was ist, wenn der Verpflichtete das Kind auf dem Arm trägt?

 

Rz. 49

Soll die Herausgabe des Kindes nicht zu Zwecken des Umgangsrechts erfolgen, so steht die Gewaltanwendung gegen das Kind nach § 90 Abs. 2 S. 2 FamFG unter dem Vorbehalt des Kindeswohls und der Verhältnismäßigkeit.[162] Eine pauschale Ablehnung der Gewaltanwendung gegen das Kind scheint in den Fällen als zu weitgehend, in denen die Gewaltanwendung gerade dazu dienen soll, die Kindesgefährdung zu beheben. In diesen Fällen muss eine umfassende Risikoabwägung vorgenommen werden, in die einerseits das Kindeswohl und andererseits der Justizgewährungsanspruch einzustellen sind (siehe auch Rdn 76 ff.).[163]

[161] Siehe die Formulierung der vom BGH selbst nachgeholten Folgenankündigung in FamRZ 2011, 1729, in der nur über die Möglichkeit der Ordnungsgeld- und -haftfestsetzung belehrt wurde; ebenso Zöller/Feskorn, § 89 Rn 8; Schulte-Bunert/Weinreich/Schulte-Bunert, § 90 Rn 1; Horndasch/Viefhues/Gottwald, § 90 Rn 5; wohl auch MüKo-FamFG/Zimmermann, § 89 Rn 9; a.A. Prütting/Helms/Stößer, § 89 Rn 10.
[162] OLG Hamburg FamRZ 1994, 1128; OLG Düsseldorf FamRZ 1981, 601.
[163] Kemper/Schreiber/Völker/Clausius/Wagner, § 90 Rn 8.

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