Rz. 51

§ 91 Abs. 1 FamFG entspricht inhaltlich im Wesentlichen § 758a Abs. 1 ZPO und unterscheidet sich nur insoweit, als keine Regelung der örtlichen gerichtlichen Zuständigkeit enthalten ist, wobei dies jedoch mit Blick auf § 88 Abs. 1 FamFG entbehrlich ist.

Die Notwendigkeit zur Einholung eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses besteht im Falle mangelnder Einwilligung des Wohnungsinhabers, wobei der Begriff der Wohnung in der Rechtsprechung großzügig ausgelegt wird.[167] Außer in den Fällen der Gefahr im Verzug ist zunächst zu prüfen, ob dem Wohnungsinhaber oder einer von ihm legitimierten Person[168] Gelegenheit gegeben wurde, freiwillig den Vollstreckungsbeamten Zutritt zur Wohnung zu geben. Die Notwendigkeit eines Durchsuchungsbeschlusses kann sich aber auch daraus ergeben, dass bisherige Zutrittsversuche des Gerichtsvollziehers faktisch scheiterten, etwa wenn Versuche zur Vereinbarung eines Termins ignoriert wurden.[169] Das Grundprinzip des Richtervorbehalts hat nur dann zurückzutreten, wenn durch eine zeitliche Verzögerung der Erfolg der Vollstreckungsmaßnahme gefährdet wäre. Davon ist etwa auszugehen, wenn zu befürchten ist, dass der Vollstreckungsschuldner zusammen mit dem Kind das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland verlässt oder sonstige Gefahren für das Kindeswohl drohen, etwa aufgrund einer Drohung mit einem "erweiterten Suizid"“. Die Entscheidung darüber, ob Gefahr im Verzug besteht, trifft der vor Ort zuständige Vollstreckungsbeamte.[170]

 

Rz. 52

Behauptet der Vollstreckungsschuldner, das herauszugebende Kind nicht in seinem Gewahrsam zu haben bzw. keine Kenntnis zu seinem Aufenthaltsort zu besitzen und ist er auch nicht bereit, die Richtigkeit dieser Behauptung an Eides statt zu versichern, so sieht § 94 FamFG i.V.m. § 901 ZPO die Möglichkeit des Erlasses eines Haftbefehls vor. In diesem Fall ist der Gerichtsvollzieher dann auch uneingeschränkt legitimiert, sich ohne gerichtlichen Beschluss Zutritt zur Wohnung zu verschaffen, um dort den Haftbefehl zu vollstrecken (§ 91 Abs. 2 FamFG).

 

Rz. 53

Wie § 758a Abs. 3 ZPO sieht auch § 91 Abs. 3 FamFG eine Duldungspflicht der Mitbewohner des Vollstreckungsschuldners vor, wenn sie an der Wohnung Mitgewahrsam haben. Umfasst werden von dieser Regelung im wesentlichen Ehepartner, Kinder und sonstige Mitbewohner des Schuldners. Allerdings sind ihnen gegenüber unbillige Härten zu vermeiden. Dies bedeutet, dass eine Abwägung zwischen den Belangen der vom Schutzbereich der Norm erfassten Personen und den schutzwürdigen Belangen des Vollstreckungsgläubigers vorzunehmen ist. Hieraus folgt, dass zugunsten der Mitgewahrsamsinhaber wohl nur gewichtige Gründe zum Tragen kommen werden, die schon im Vorfeld der Vollstreckungseinleitung vorzutragen und unter Beweis zu stellen sind, so dass eine Berücksichtigung bereits im richterlichen Beschluss erfolgen kann. Gegebenenfalls sind sie jedoch spätestens gegenüber dem vor Ort anwesenden Gerichtsvollzieher darzulegen, um diesem Gelegenheit zur Prüfung zu geben, ob er die Vollstreckung aufschiebt (§ 213a Nr. 1 S. 3 i.V.m. § 113 GVGA). Diese Gesamtproblematik kann dadurch entschärft werden, dass der Richter bei der Durchsuchung selbst zugegen ist (siehe Rdn 86).[171]

 

Rz. 54

§ 91 Abs. 4 FamFG sieht eine Vorlageverpflichtung hinsichtlich des Durchsuchungsbeschlusses vor. Diese Verpflichtung dient dem Schuldnerschutz, da sich aus dem Beschluss neben den rechtlichen Grundlagen auch Rahmen, Grenzen und Ziel der Vollstreckungsmaßnahme,[172] die räumliche Präzisierung der zu durchsuchenden Wohnung[173] und die Begründung der Vollstreckungsmaßnahme ergeben muss.[174] Dem Vollstreckungsschuldner wird damit Gelegenheit gegeben, sich mit dem Inhalt und der Begründung der Maßnahme vertraut zu machen, um gegebenenfalls hierauf aufbauend eine unbillige Härte im Sinn des § 91 Abs. 3 FamFG einwenden zu können.

[167] Kemper/Schreiber/Völker/Clausius/Wagner § 91 Rn 5.
[168] Kemper/Schreiber/Völker/Clausius/Wagner, § 91 Rn 6.
[169] OLG Köln MDR 1995, 850; LG Frankfurt DGVZ 1980, 23.
[170] Kemper/Schreiber/Völker/Clausius/Wagner, § 91, Rn 8.
[171] Kemper/Schreiber/Völker/Clausius/Wagner, § 90 FamFG Rn 9.
[174] LG Köln JurBüro 1988, 536.

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