Rz. 1

Das Gericht muss geringfügige Verspätungen des Verteidigers einkalkulieren (BayObLG NZV 1989, 321). Im großstädtischen Bereich hat es mindestens 15 Minuten zuzuwarten (KG DAR 2001, 175; OLG Düsseldorf NStZ RR 2001, 303; OLG München zfs 2007, 588).

In Strafsachen wird ein Zuwarten von 30-40 Minuten, bei einer Verspätungsankündigung des Verteidigers sogar bis zu einer Stunde verlangt (BayObLG VRS 60, 304); 15 Minuten reichen hier jedenfalls nicht aus (OLG Zweibrücken StV 1984, 148).

Nach überwiegender Meinung beginnt die Wartezeit mit der angesetzten Terminszeit (OLG Frankfurt DAR 2012, 472), nach einer weiteren Entscheidung des gleichen OLG (NStZ-RR 2001, 85) sogar erst mit dem tatsächlichen Beginn der Hauptverhandlung, also dem Aufruf der Sache.

 

Rz. 2

Hat der Verteidiger seine Verspätung (mit einer Begründung) angekündigt, muss das Gericht entweder deutlich länger als 15 Minuten zuwarten (OLG Köln NZV 1997, 494; KG DAR 2001, 175; OLG München VRS 2007, 117; Thüringer OLG zfs 2012, 349) oder den Termin aussetzen (BayObLG NZV 1995, 330), dies gilt auch für Bußgeldsachen, da auch dort eine Verhandlung in Abwesenheit des Verteidigers i.d.R. unzulässig ist (OLG Hamm zfs 2009, 470; OLG Oldenburg NZV 2011, 96; OLG Dresden zfs 2013, 530).

 

Rz. 3

 

Tipp: Kenntnis der Geschäftsstelle reicht aus

Die Verspätung ist auch dann ausreichend angekündigt, wenn sie nur der Geschäftsstelle rechtzeitig mitgeteilt wurde, der Richter hiervon aber keine Kenntnis erlangt hat (OLG Köln NZV 1997, 494), denn der Vorsitzende muss sich bei der Geschäftsstelle erkundigen, ob nicht die Abwesenheit erklärende Mitteilungen eingegangen sind (OLG Brandenburg StraFo 1997, 213; OLG Bamberg NZV 2011, 409; KG DAR 2012, 395). Eine rechtliche Verpflichtung des Vorsitzenden, sich in der Kanzlei des Verteidigers nach dem Grund für das Nichterscheinen zu erkundigen, besteht dagegen nicht (OLG Hamm NZV 1997, 408).

 

Rz. 4

Wartet das Gericht nicht ausreichend zu, liegt ein Verstoß gegen "fair trial" selbst dann vor, wenn der Verteidiger vor der Urteilsverkündung noch erscheint, aber keine Gelegenheit mehr zur Äußerung und Antragstellung hatte (BayObLG NZV 1989, 321; OLG Frankfurt DAR 1994, 408).

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