Rz. 73

§ 437 BGB listet die Rechte auf, die dem Käufer zustehen, wenn die Kaufsache einen Sach- oder Rechtsmangel aufweist, ohne dass er selbst eine Anspruchsgrundlage darstellt.

Die Norm schlägt einerseits eine Brücke vom Kaufrecht ins allgemeine Leistungsstörungsrecht, indem hinsichtlich des Rücktritts und Schadensersatzes auf die allgemeinen Vorschriften verwiesen wird. Andererseits fügt sie die speziell kaufrechtlichen Rechtsbehelfe, Nacherfüllung und Minderung, in das allgemeine Leistungsstörungssystem ein. Bei den in der Vorschrift enthaltenen Verweisungen auf das Recht zur Nacherfüllung, auf Rücktritt, Minderung, sowie auf Schadensersatz statt der Leistung- oder Aufwendungsersatz, handelt es sich um Rechtsgrundverweisungen, wie aus der Formulierung ""wenn die Voraussetzungen der Vorschriften vorliegen"" hervorgeht.[127] Sie stehen ferner unter dem Vorbehalt, dass ""nicht ein anderes bestimmt ist"" in den nachfolgenden Vorschriften der §§ 438441 BGB, die Besonderheiten für das Kaufrecht normieren.

Zudem sind die Rechtsbehelfe durch den "Vorrang der Nacherfüllung" in ein Stufenverhältnis unterteilt.

Der Käufer hat zunächst nur das Recht auf Nacherfüllung, die anderen Rechte sind sekundär, wie durch das fehlende "und" am Ende des § 437 Nr. 1 BGB angedeutet wird, in §§ 281 Abs. 1 S. 1, 323 Abs. 1 BGB aber nochmals deutlich zum Ausdruck kommt (Schadensersatz bzw. Rücktritt nach erfolgloser Fristsetzung zur Leistung oder Nacherfüllung).[128] Dem Verkäufer wird die Chance eingeräumt, doch noch eine vertragsgerechte Leistung zu erbringen.[129] Insoweit gründen die sekundären Rechtsbehelfe nicht unmittelbar auf dem Sachmangel, sondern auf dem endgültigen Ausbleiben der sachmangelfreien Leistung. Dies steht fest, wenn der Verkäufer sich auf eine Leistungsverweigerung wegen Unmöglichkeit oder Unverhältnismäßigkeit nach §§ 275 Abs. 13, 439 Abs. 3 BGB beruft oder der Käufer – zumeist durch ergebnisloses Verstreichen der Nachfrist – nicht mehr zur Annahme der Nacherfüllung verpflichtet ist, § 323 BGB bzw. §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB.[130]

Der Käufer hat grundsätzlich kein Recht zur Selbstvornahme, so dass er weder Kostenersatz noch den Ersatz ersparter Aufwendungen verlangen kann, wenn er dem Verkäufer nicht das Recht zur Nacherfüllung einräumt.[131]

[127] Huber/Faust, Kap. 13 Rn 5, 6.
[128] Westermann, NJW 2002, 241, 248.
[129] "Recht zur zweiten Andienung" des Verkäufers, Lorenz/Riehm, Rn 504.
[130] Lorenz, NJW 2002, 2497, 2504.

I. Nacherfüllung

 

Rz. 74

Der Vorrang der Nacherfüllung gewährt dem Verkäufer eine zweite Möglichkeit, seiner Pflicht aus § 433 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB nachzukommen. Dogmatisch handelt es sich um eine Modifizierung des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs.[132] Durch § 439 BGB wird das in § 437 BGB aufgelistete Recht auf Nacherfüllung spezifiziert. Grundsätzlich hat der Käufer eines mangelhaften Neuwagens die freie Wahl, ob er die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs wünscht.[133] Der Anspruch auf Erfüllung des Kaufvertrages geht mit der Gefahr in einen Nacherfüllungsanspruch über.

 

Rz. 75

Hinsichtlich der Geltendmachung und Durchführung der Nacherfüllung enthalten die NWVB keine speziellen Regelungen, so dass grundsätzlich die gesetzlichen Normen Anwendung finden.

Allein Abschn. VII. Nr. 2b NWVB regelt, dass der Käufer sich an den nächstgelegenen dienstbereiten Betrieb zu wenden hat, wenn das Fahrzeug aufgrund eines Sachmangels betriebsunfähig wird. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass dieser Betrieb auch die Nacherfüllung zu leisten hat, indem er dem Käufer einen mangelfreien Neuwagen liefert oder den Mangel beseitigt. Vielmehr dient Abschn. VII. Nr. 2b NWVB nur der Vermeidung weitergehender Schäden. Pflichten Dritter vermag die Klausel als schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien nicht zu begründen.

 

Rz. 76

Gegenstand des Nacherfüllungsanspruchs ist der vom Käufer behauptete und bei dem Reparaturbetrieb anzeigte Mangel, für dessen Vorhandensein im Zeitpunkt des Gefahrübergangs der Käufer die Beweislast trägt. Im Fall des Verbrauchsgüterkaufs kommt dem Käufer dabei allerdings die Beweislastumkehr nach § 476 BGB für sechs Monate ab Gefahrübergang zugute, innerhalb derer vermutet wird, der Mangel sei bereits zu diesem Zeitpunkt vorhanden gewesen, wenn die Art der Sache oder des Mangels nicht mit der Vermutung unvereinbar ist.

 

Rz. 77

 

Praxistipp

Der BGH hat bei unberechtigter Mängelrüge eine Schadensersatzpflicht des Käufers angenommen.[134] Dabei ist zu beachten, dass grundsätzlich Privatpersonen keine Untersuchungsobliegenheit, auch keine Pflicht zur Ursachenforschung trifft, anders als bei B2B (§ 377 HGB). Daher gilt für den Verbraucher vor der Reklamation eines Mangels, sich diesen besser ordnungsgemäß versichern lassen und mit einem unabhängigen Fachmann sprechen. Bei Defekten innerhalb der ersten sechs Monate entlastet die Beweisvermutung des § 476 BGB.[135]

 

Rz. 78

Der verschuldensunabhängige Nacherfüllungsanspruch erfordert an sich keine ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge