Rz. 6

Mit der Bestellung eines Neuwagens wird regelmäßig konkludent seine Fabrikneuheit vereinbart.[7] Wie ein Fahrzeug beschaffen sein muss, damit dieses Merkmal zu bejahen ist, beschäftigt die Gerichte seit Jahren. Nach der neuesten Rechtsprechung des BGH ist ein unbenutztes Kraftfahrzeug regelmäßig dann als "fabrikneu" einzustufen, wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs unverändert weitergebaut wird, es keine durch längere Standzeiten bedingte Mängel aufweist, zwischen Herstellung des Fahrzeugs und dem Abschluss des Kaufvertrages nicht mehr als zwölf Monate liegen und wenn das Fahrzeug nicht benutzt ist.[8]"Nicht benutzt" heißt, dass der Neuwagen mit Ausnahme der Überführungsfahrt seinem bestimmungsgemäßen Gebrauch als Verkehrsmittel noch nicht zugeführt worden sein darf.[9]

 

Rz. 7

Insbesondere zur maximalen Länge der Lagerdauer wurden bisher in Literatur und Rechtsprechung höchst unterschiedliche Auffassungen vertreten.[10]

 

Rz. 8

Unter Lagerdauer ist die Zeitspanne ab der Herstellung bis zum Abschluss des Kaufvertrages zu verstehen, wobei es unerheblich ist, ob der Wagen währenddessen in Obhut des Herstellers oder Händlers verblieben ist. Anerkannt war, dass ein Fahrzeug, solange es in dieser Modellreihe unverändert produziert wird, nach seiner Herstellung noch "einige Zeit" als fabrikneu galt. Das "Verfallsdatum" der Fabrikneuheit wurde häufig bei bis zu zwölf Monaten angesetzt,[11] aber teilweise wurden auch 14,[12] 16,[13] 18[14] oder 24[15] Monate als unschädlich angesehen. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung hat der BGH[16] nun die maximale Standzeit, bei der eine Fabrikneuheit noch zu bejahen ist, regelmäßig auf zwölf Monate festgelegt.

 

Rz. 9

Dies spiegelt nicht nur die überwiegende Meinung wider, sondern schafft Rechtssicherheit und trägt dadurch auch den berechtigten Interessen des Käufers Rechnung, dem es nicht zuzumuten ist, das Risiko zu tragen, für den Neuwagenkaufpreis ein Fahrzeug zu erhalten, dass tatsächlich diesem Gegenwert nicht mehr entspricht.[17]

Die ausdrückliche Limitierung der Standzeit korrigiert auch diejenigen,[18] die die bisherige BGH-Rechtsprechung[19] irrtümlich so auffassten, dass die Länge der Lagerzeit an sich unerheblich hinsichtlich der Frage sei, ob es sich um ein fabrikneues Fahrzeug handele.

 

Rz. 10

Selbst wenn innerhalb einer über einjährigen Lagerzeit kein Modellwechsel stattfindet und keine Schäden eintreten, ist die Standzeit an sich bereits ein wertmindernder Faktor.[20] Der Fahrzeugzustand verschlechtert sich durch Zeitablauf, da physikalische Veränderungen wie Oxydation der Metallteile und Materialermüdung auch bei optimaler Lagerung – wenn auch mit Verzögerung gegenüber etwa im Freien aufbewahrter Fahrzeuge – eintreten. Anfällig dafür sind Gummiteile, Batterie und Schmiermittel.[21] Auch die Reifen sind nach einer Lagerzeit von zwei Jahren aufgrund physikalischer Veränderungen, die eine Beeinträchtigung der Verkehrstauglichkeit bewirkt haben, nicht mehr fabrikneu.[22] Diese Tatsachen untermauern die Entscheidung des BGH in sachlicher Hinsicht, ein Fahrzeug in der Regel nur dann als fabrikneu einzustufen, wenn eine Lagerzeit von maximal zwölf Monaten nicht überschritten wurde.

Weniger strenge Maßstäbe legt das OLG Düsseldorf[23] an die Neuwageneigenschaft eines EU-Importfahrzeugs an, bei dem auch ohne die Bezeichnung als Lagerfahrzeug eine Standzeit von 12 bis 13 Monaten nicht per se einen Sachmangel darstelle. Das OLG Braunschweig[24] hielt sogar 27 Monate für unbedenklich, während das LG Essen[25] eine Standzeit von 16 Monaten als Mangel erachtete.

 

Rz. 11

Praktisch betrachtet, steht der Käufer vor dem Problem, das Baujahr kaum ermitteln zu können, so dass ihm Rückschlüsse auf die Lagerdauer erheblich erschwert werden. Im Kfz-Brief ist seit der Änderung des § 59 StVZO keine Angabe des Baujahrs mehr enthalten. Teilweise lassen Markierungen auf den Fahrzeugbauteilen oder Reifen bei deren Entschlüsselung das Herstellungsdatum erkennen, ansonsten hilft die Fahrzeug-Identifizierungsnummer weiter, die jedoch nicht jeder Hersteller verwendet.[26]

 

Rz. 12

Abgesehen von diesem Hindernis stellt der BGH in seiner Entscheidung ebenfalls zugunsten des Käufers klar, dass eine Weiternutzung des Fahrzeugs – wenn sie den Rahmen des Üblichen nicht überschreitet – kein widersprüchliches Verhalten bedeutet und daher nicht die Verwirkung der Gewährleistungsrechte nach sich zieht. Die Interessen des Verkäufers werden durch einen Wertersatzanspruch für diesen Genuss der Gebrauchsvorteile gewahrt.[27]

 

Rz. 13

Fabrikneuheit bedingt nach Auffassung des BGH[28] ferner, dass ""das Modell des Kraftfahrzeugs unverändert weitergebaut wird, also keinerlei Änderungen in der Technik und der Ausstattung aufweist"". Entscheidender Zeitpunkt ist der Abschluss des Kaufvertrages.

 

Rz. 14

Ist der Vertragsschluss mit der Bestellung eines Neuwagens verbunden, bezieht sich demnach die Fabrikneuheit auf das im Abschlusszeitpunkt produzierte Modell, unabhängig davon, ob es bereits beim Händler aus...

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