Rz. 127

Das Rücktrittsrecht ist gem. § 323 Abs. 6 BGB ebenfalls ausgeschlossen, wenn der Käufer für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist. Dies ist der Fall, wenn die Verantwortlichkeit bei 80 % und mehr festzusetzen ist. Anders als beim Schadensersatzanspruch statt der Leistung, der eine flexible Reaktion auf Mitverantwortlichkeit über eine Anspruchskürzung nach § 254 BGB ermöglicht, kommt hinsichtlich des Rücktritts nur der Anspruchsausschluss in Betracht.[218]

 

Rz. 128

Für den Bereich des Neuwagenkaufs ist der Ausschlussgrund insoweit ohne Bedeutung, als es um die Verantwortlichkeit des Käufers für einen Sachmangel geht, da im Hinblick auf die Verursachung des Sachmangels der Zeitpunkt des Gefahrübergangs relevant ist. Denn den Käufer kann mangels Einfluss auf die Fahrzeugproduktion oder Überführung und Standzeit beim Händler keine Verantwortlichkeit an der Mangelverursachung treffen.

 

Rz. 129

Der Rücktritt ist jedoch auch ausgeschlossen ist, wenn der Käufer die Unmöglichkeit der Nacherfüllung überwiegend zu verantworten hat. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass die den Käufer zum Rücktritt berechtigenden Umstände sich nicht nur aus dem Vorliegen eines Mangels, sondern daneben auch aus der Unmöglichkeit der Nacherfüllung ergeben. Demgemäß ist auch die Verantwortlichkeit des Käufers für den zum Rücktritt berechtigenden Grund (angelehnt an § 351 BGB a.F.) auf beide Umstände zu erstrecken.[219] Dies ist aufgrund des dem Rücktritt bewussten und stets vorgeschalteten Nacherfüllungsrechts richtig. Durch die Einbeziehung des Nacherfüllungszeitraumes entsteht eine Nische, innerhalb derer Ausschluss des Rücktritts möglich ist. Der Käufer muss auf das mangelhafte Neufahrzeug nach Lieferung durch überwiegend verschuldetes Handeln derart eingewirkt haben, dass die Nacherfüllung nicht mehr möglich ist.

 

Rz. 130

Ein Beispielsfall dafür ist, wenn an einem mangelhaften Fahrzeug, das aus dem Bestand des Händlers ausgesucht und nach Kaufvertragsschluss übergeben worden ist, ein Totalschaden infolge eines vom Käufer verschuldeten Unfalls eintritt. Da es sich um eine Stückschuld handelt, scheiden beide Arten der Nacherfüllung aus. Nachbesserung kommt nicht in Betracht, weil der Schaden irreparabel ist, Nacherfüllung scheidet infolge Wegfall des Leistungssubstrats aus.[220]

 

Rz. 131

Des Weiteren hat der BGH entschieden, dass der vom Käufer erklärte Rücktritt vom Vertrag nicht wirksam ist, wenn der Käufer es versäumt, dem Verkäufer in einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Weise Gelegenheit zur Nacherfüllung gem. § 439 BGB zu geben. Dessen Nacherfüllungsverlangen als Voraussetzung für die in § 437 Nr. 2 und 3 BGB aufgeführten Rechte des Käufers beschränkt sich nicht auf eine mündliche oder schriftliche Aufforderung zur Nacherfüllung, sondern umfasst auch die Bereitschaft des Käufers, dem Verkäufer die Kaufsache zur Überprüfung der erhobenen Mängelrügen zur Verfügung zu stellen. Denn dem Verkäufer soll es mit der ihm vom Käufer einzuräumenden Gelegenheit zur Nacherfüllung gerade ermöglicht werden, die verkaufte Sache daraufhin zu untersuchen, ob der behauptete Mangel besteht und ob er bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen hat, auf welche Ursache er beruht sowie ob und auf welche Weise er beseitigt werden kann. Der Verkäufer kann von der ihm zustehenden Untersuchungsmöglichkeit nur Gebrauch machen, wenn ihm der Käufer die Kaufsache zu diesem Zweck zur Verfügung stellt.[221]

 

Rz. 132

In dem vom BGH zu entscheidenden Fall hatte der Käufer dem Verkäufer keine Gelegenheit zur Untersuchung des Fahrzeugs im Hinblick auf die erhobene Mängelrüge gegeben. Er hatte unzulässigerweise eine Untersuchung des Fahrzeugs von der Bedingung abhängig gemacht, dass der Verkäufer sich zuvor mit der vom Käufer gewählten Art der Nacherfüllung, der Lieferung eines neuen Fahrzeugs, einverstanden erklärt. Gerade dazu war aber der Verkäufer nicht verpflichtet, nämlich der vom Käufer gewählten Art der Nacherfüllung zuzustimmen, bevor dem Verkäufer Gelegenheit gegeben wurde, das Fahrzeug auf die vom Käufer gerügten Mängel zu untersuchen. Denn von den Feststellungen des Verkäufers zur Ursache eines vorhandenen Mangels und dazu, ob und auf welche Weise dieser beseitigt werden kann, hängt auch ab, ob sich der Verkäufer auf die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung einlassen muss oder ob er sie nach § 275 Abs. 2 und 3 BGB oder § 439 Abs. 3 BGB verweigern kann.[222]

 

Rz. 133

Im Fall eines weiterfressenden Mangels am Fahrzeug ist der Ausschlusstatbestand einschlägig, wenn der Käufer das Fahrzeug in Kenntnis des mangelhaften Fahrzeugteils weiterbenutzt und daher überwiegend für die Verursachung des darüber hinausreichenden Schadens verantwortlich ist.[223]

 

Rz. 134

Das Rücktrittsrecht entfällt auch dann nach § 323 Abs. 6 BGB, wenn der vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand eintritt, während sich der Gläubiger im Annahmeverzug befindet.

Wird die Lieferung des – ausgesonderten – ...

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