Rz. 34

Die Sollbeschaffenheit erfordert nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB, dass sich die Kaufsache ""für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet"", wenn keine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen wurde. Die Vorstellungen der Parteien richten sich oftmals nicht auf spezielle Beschaffenheitsmerkmale, sondern darauf, dass die Sache für einen bestimmten Verwendungszweck tauglich sein soll. Typisches Beispiel dafür sind Alltagsgeschäfte, bei denen besondere Vereinbarungen über spezielle Beschaffenheitsmerkmale für überflüssig erachtet werden, aber Übereinstimmung über die konkrete Zweckeignung herrscht.[66] Da es dem Käufer eines Neuwagens gerade auch auf einzelne Beschaffenheitsmerkmale ankommt, die entsprechend § 434 Abs. 1 S. 1 BGB vereinbart werden, ist diese Variante von untergeordneter Bedeutung, abgesehen vom Kauf von Sonderfahrzeugen.

 

Rz. 35

Bei Wohnmobilen, Geländewagen oder Transportfahrzeugen, kann der mit dem Erwerb verbundene Nutzungszweck im Vertrag Ausdruck finden. So hat der BGH als vertraglich vereinbarten Nutzungszweck die Möglichkeit zum Transport zweier Friesenpferde ­bejaht, im Zusammenhang mit der Erstellung und dem Erwerb eines Pferdetransporter-Aufbaus, der als fehlerhaft eingestuft wurde, da die verbleibende Nutzlast die vorgesehene Nutzung ausschloss.[67] Mangelhaft war auch ein vom Kläger erworbenes Fahrzeug, weil es sich entgegen der vertraglichen Vereinbarung nicht zum Betrieb mit Biodiesel eignete, dies aber den Grund für den Kauf darstellte.[68] Dabei ist häufig nur durch Auslegung zu ermitteln, ob eine übereinstimmende vertragliche Vereinbarung über die Eignung zum Nutzungszweck oder doch eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen wurde, die eine Anwendung von § 434 Abs. 1 S. 5 BGB rechtfertigt.

 

Rz. 36

Ist zwischen den Parteien weder die Beschaffenheit vereinbart, noch eine bestimmte Verwendung vorausgesetzt worden, kommt es darauf an, dass sich die Sache gem. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB ""für die gewöhnliche Verwendung"" eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Dabei entscheidet der Erwartungshorizont eines durchschnittlichen Käufers, welche Beschaffenheit "nach Art der Kaufsache" erwartet werden kann.

 

Rz. 37

Die Rolle öffentlicher Äußerungen, besonders der Werbung, wird für die Beurteilung dessen, was der Käufer von der Kaufsache üblicherweise erwarten kann, in § 434 Abs. 1 S. 3 BGB konkretisiert. Einbezogen werden Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers im Sinne des Produkthaftungsgesetzes oder seines Gehilfen, insbesondere in Werbeanpreisungen, die häufig technische Eigenschaften oder Werte, wie Motorleistungen, betreffen. Bereits vor der gesetzlichen Normierung wurde etwa die Werbung des Herstellers zur Bestimmung der Verkehrserwartung herangezogen.[69] Werbeaussagen des Verkäufers selbst über bestimmte Eigenschaften des Fahrzeugs bei Vertragsanbahnung werden regelmäßig eine Beschaffenheitsvereinbarung gem. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB ergeben. Bedeutend ist die Regelung daher vor allem hinsichtlich der Äußerungen des Herstellers. Ein Käufer, der seiner Kaufentscheidung eine öffentliche Äußerung des Herstellers zugrunde legt, muss auf deren Richtigkeit vertrauen können.[70] Der Verkäufer wird durch die öffentliche Aussage über Eigenschaften der Kaufsache dem Kunden gegenüber gebunden. Liegen sie nicht vor, macht er sich unter Umständen schadensersatzpflichtig. Die Erstreckung der Haftung auf den Verkäufer wird durch die gesetzlich normierten Ausnahmen abgemildert; zudem profitiert der Verkäufer auch von der absatzerhöhenden Wirkung der Werbung, die den Kaufanreiz steigert.

 

Rz. 38

Der Verkäufer haftet nicht, wenn er beweisen kann, dass im Rechtsverkehr ohne sein Zutun eine Erwartungshaltung durch Produktwerbung aufgebaut wurde, die bei Vertragsschluss bereits in gleichwertiger Weise berichtigt worden ist oder er nachweisen könnte, dass er die öffentlichen Äußerungen des Herstellers – nicht ihre Unrichtigkeit – weder kannte noch kennen musste i.S.d. § 122 Abs. 2 BGB.[71] Dies wird ihm jedoch angesichts der medialen Dichte und der umfassenden Produktschulungen innerhalb des weit verbreiteten Vertragshändlersystems kaum gelingen, da ihn zudem auch nur die nicht fahrlässige Unkenntnis entlastet. Ob die Gleichwertigkeit der Berichtigung auf die inhaltliche Gewichtigkeit der Werbeaussage und/oder der Verbreitung durch dasselbe Medium abzielt, bleibt offen, wenngleich hinsichtlich der breiten Streuung der meisten Werbekampagnen der Hersteller allein in den Printmedien veröffentlichte Rückrufaktionen von großer Publizität als gleichwertig einzustufen sind.[72] Eine unauffällige Anzeige in einer Tageszeitung ist bei einer groß angelegten Werbeaktion mangels Effizienz nicht geeignet, Sachmängelansprüche auszuschließen.[73]

 

Rz. 39

Nach § 434 Abs. 1 S. 3 letzter Hs. BGB, ist eine öffentliche Äußerung ebenfalls ohne Bedeutung, wenn der Verkäufer nachweist, dass sie keinen Einfluss auf d...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge