Rz. 178

Der Käufer kann vom Verkäufer Schadensersatz neben der Leistung nach § 280 BGB verlangen, wenn der Verkäufer seine Pflichten aus dem Kaufvertrag verletzt hat und sich im Hinblick auf die Verschuldensvermutung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB nicht entlasten kann.

Die für die Haftung des Verkäufers erforderliche Pflichtverletzung liegt beim Neufahrzeugkauf bereits in der Lieferung eines mangelhaften Fahrzeugs.[263]

 

Rz. 179

Im Hinblick auf den Entlastungsbeweis ist zu beachten, dass der Händler nicht generell verpflichtet ist, vom Herstellerwerk gefertigte Neufahrzeuge auf etwaige verborgene Konstruktions- oder Produktionsfehler zu untersuchen. Auch ist der Hersteller nicht sein Erfüllungsgehilfe gem. § 278 BGB, so dass ihm ein Verschulden bei der Fertigung bzw. Konstruktion nicht zuzurechnen ist, da der Verkäufer nur die Übergabe und Übereignung, nicht aber die Herstellung des Fahrzeugs schuldet.[264] Nach dem Willen des Gesetzgebers ist eine Untersuchung des Händlers nur angezeigt, wenn es sich um besonders hochwertige oder fehleranfällige Produkte handelt oder der Verkäufer besondere Sachkunde besitzt.[265]

 

Rz. 180

Daher verbleibt für den Neuwagenhändler eine Haftung aus der Verletzung von Sorgfaltspflichten bei der Aufbewahrung, Lieferung oder Übergabe des Neuwagens. Daneben haftet er, wenn er fahrlässig einen Mangel nicht erkennt, obgleich er aufgrund seines Fachwissens dazu in der Lage war.

 

Rz. 181

Ergibt sich aufgrund dieser Kriterien keine Haftung des Verkäufers, bestehen jedoch ggf. Ansprüche des Käufers gegen den Hersteller aus unerlaubter Handlung oder auf Grundlage des Produkthaftungsgesetzes.

Ungeachtet der Verletzung einer Sorgfaltspflicht haftet der Verkäufer für Garantieversprechen i.S.d. § 443 BGB.

 

Rz. 182

Die Beschaffenheitsgarantie, das Einstehen für bestimmte Eigenschaften des Fahrzeugs bei Gefahrübergang mit zugunsten des Käufers modifizierten Rechtsfolgen, ist beim Neuwagenkauf nicht bedeutend. Interessant ist die Haltbarkeitsgarantie, bei der der Verkäufer über den Zeitpunkt des Gefahrübergangs und damit über die gesetzliche Gewährleistung hinaus dafür haftet, dass die Kaufsache während einer bestimmten Nutzungsdauer sachmängelfrei bleibt. Sie wird auch als unselbstständige Garantie bezeichnet wird und verbessert die Absatzchancen der Händler am Markt. Die Reichweite der Garantie richtet sich nach der vertraglichen Absprache.

Bei der Verkäufergarantie kommen alle Rechte aus § 437 BGB in Betracht, somit auch Schadensersatz neben der Leistung.

Bei einer selbstständigen Garantie, etwa eines Herstellers oder eines Dritten, die einen über die Sachmängelfreiheit des Gesetzes noch hinausgehenden Erfolg, wie z.B. die Übernahme von zufällig eintretenden Schäden zum Gegenstand hat, scheiden hingegen Rücktritt und Minderung aus, so dass der Anspruch des Käufers auf Nacherfüllung und Schadensersatz neben der Leistung gerichtet ist.

 

Rz. 183

Hinsichtlich der Beweislastverteilung hat der Käufer im Fall der Haltbarkeitsgarantie nach § 443 Abs. 2 BGB zu beweisen, dass eine Garantie gegeben wurde und sie die bemängelte Beschaffenheit umfasst sowie, dass dieser Mangel während der Laufzeit der Garantie aufgetreten ist. Zugunsten des Käufers wird dann vermutet, dass es sich um einen Garantiefall handelt. Nicht zu beweisen braucht der Käufer, dass der Mangel die Auswirkung des ursprünglichen Zustandes der Sache ist.[266]

 

Rz. 184

Werden Schäden an Rechtsgütern verursacht, die zugleich durch § 823 BGB geschützt sind, wie Eigentum, Körper, Gesundheit und Leben, kommt neben § 280 Abs. 1 BGB auch eine deliktische Haftung in Betracht. Damit ist die Problematik des sogenannten weiterfressenden Mangels weiterhin bedeutsam, durch die Gewährleistungsrecht und Deliktsrecht abgegrenzt werden. Die Unterscheidung ist in Bezug auf die Verjährung von praktischer Relevanz, da die Verjährungsfrist des § 438 BGB nur zwei Jahre, die über § 823 BGB nach § 195 BGB ggf. bis zu 30 Jahren betragen kann.

 

Rz. 185

Eine Eigentumsverletzung gem. § 823 Abs. 1 BGB ist bei der Lieferung einer mangelhaften Sache als solche zunächst nicht gegeben, da zuvor kein mangelfreies Eigentum erworben wurde, welches verletzt sein könnte. Eine Eigentumsverletzung liegt aber vor, wenn der Sachmangel an einem "funktionell begrenzten", austauschbaren Einzelteil eines Neufahrzeugs besteht, dass ansonsten intakt ist und das Einzelteil später zur Beschädigung oder Zerstörung anderer Fahrzeugteile oder des gesamten Wagens führt. In diesen Fällen ist der entstandene Schaden mit dem "Unwert", welcher der Sache aufgrund des Mangels anhaftet, nicht stoffgleich und damit das Integritätsinteresse verletzt. Diesbezüglich besteht zusätzlich zum Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB der aus § 823 Abs. 1 BGB.

 

Rz. 186

Der stoffgleiche Schaden, das abgrenzbare mangelhafte Teil, beruht hingegen allein auf enttäuschten Vertragserwartungen, so dass hier das Äquivalenzinteresse des Käufers verletzt ist und damit allein dem Gewährleistungsrecht im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung u...

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