Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 512
Hoch streitig ist die Frage, ob der Gerichtsvollzieher im Vollstreckungsprotokoll Gegenstände aufzuführen hat, die er in der Wohnung des Schuldners vorgefunden hat, die er aber für unpfändbar oder nicht verwertbar hält. Die Rechtsprechung zeigt hier ein breites Spektrum.
Auf Verlangen des Gläubigers wird der Gerichtsvollzieher bei einem Zwangsvollstreckungsversuch in der Wohnung des Schuldners vorgefundene, aber nicht gepfändete Gegenstände im Pfändungsprotokoll nach ihrer Art, Beschaffenheit und ihrem Wert mindestens so allgemein zu bezeichnen haben, dass dem Gläubiger eine Prüfung möglich ist, ob die Pfändung zu Recht unterblieben ist. Nach anderer Ansicht bedarf es dann keiner Spezifizierung, wenn der Gerichtsvollzieher die vorgefundenen Gegenstände entweder im Sinne des § 811 ZPO für unpfändbar hält oder diese zwar pfändbar wären aber ein die Kosten der Vollstreckung übersteigender Erlös nicht zu erwarten ist. Dies ergebe sich letztlich im Umkehrschluss aus § 86 Abs. 6 GVGA.
Rz. 513
Hinweis
Ungeachtet dieser Streitfrage verlangt § 86 Abs. 6 GVGA, dass der Gerichtsvollzieher im Protokoll die Sachen festhält, deren Pfändung der Gläubiger ausdrücklich verlangt hat sowie die Gründe, warum diese Gegenstände gleichwohl nicht gepfändet wurden. Hat der Gläubiger also Erkenntnisse über die Habe des Schuldners, kann er ein aussagekräftigeres Protokoll dadurch erreichen, dass er die Pfändung dieser konkret zu bezeichnenden Habe ausdrücklich, d.h. im Vollstreckungsauftrag fordert. Auch kann es taktisch sinnvoll sein, bei höheren Forderungen, den Schuldner zunächst mit einem Außendienstbesuch zu einer gütlichen Einigung zu bewegen und die dortigen Erkenntnisse der örtlichen Verhältnisse, insbesondere der festzustellenden körperlichen Gegenstände widrigenfalls bei einer nachfolgenden Sachpfändung zu nutzen.
Rz. 514
Die Leitlinie für den Gerichtsvollzieher sollte sein, dass er auf die Aufführung solcher Gegenstände verzichten kann, die ohne jeden Zweifel unpfändbar sind. Gegenstände, die er grundsätzlich für pfändbar hält, aber für nicht verwertbar erachtet, sollten dagegen grundsätzlich aufgeführt werden. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass nur dies dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) Rechnung trägt. Zugleich folgt dies auch aus dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf effektive Zwangsvollstreckung aus Art. 14 GG.
Nicht unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang der Hinweis darauf, dass bei gleicher gesetzlicher Grundlage Abschnitt 49 Abs. 2 der Allgemeinen Anweisung für die Finanzämter ausdrücklich vorsieht, dass im Fall einer fruchtlosen Pfändung die vorgefundenen unpfändbaren Sachen von besonderem Wert zu bezeichnen sind.
Rz. 515
Dabei ist zu dokumentieren, aus welchen Gründen der Gerichtsvollzieher diese nicht für pfändbar oder verwertbar hält. Insoweit muss der Gerichtsvollzieher nämlich berücksichtigen, dass
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über die Frage der Reichweite der einzelnen Pfändungsschutzvorschriften sehr wohl Streit besteht und eine Vielzahl divergierender Gerichtsentscheidungen vorliegt; |
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der Gläubiger die Möglichkeit hat, eine anderweitige Art der Verwertung nach § 825 ZPO zu beantragen, die einen größeren Verwertungserfolg verspricht. |
Rz. 516
Hinweis
So zeigt die Praxis auch öffentlicher Gläubiger, dass die freihändige Verwertung entweder durch Übergabe des Gläubigers zum Verkehrswert oder durch eine Versteigerung in Internetbörsen (etwa ebay) heute gleichwohl dort ein Vollstreckungserfolg verspricht, wo früher bei einer öffentlichen Versteigerung – insbesondere in einem Gerichtsgebäude – kein Vollstreckungserfolg zu verzeichnen war.
Rz. 517
In jedem Fall aufzuführen sind solche Gegenstände, bei denen eine Austauschpfändung nach § 811a ZPO in Betracht zu ziehen ist. Dies ist bei allen Gegenständen der Fall, deren Wert sich in einem größeren Rahmen bewegt, ohne dass die beim Schuldner befindliche Sache einen Wert hat, der am unteren Rand des möglichen Rahmens liegt.
Rz. 518
Beispiel
So kann ein Pkw nach § 811 Nr. 1b ZPO unpfändbar sein, weil der Schuldner diesen benötigt, um zu seiner Arbeitsstelle zu gelangen, die er mit öffentlichen Verkehrsmitteln in zumutbarer Weise nicht erreichen kann. Ist das Fahrzeug lediglich 500,00 bis 1.000,00 EUR wert, wird davon auszugehen sein, dass eine Austauschpfändung nicht in Betracht kommt. Ist dagegen das Fahrzeug über 2.500,00 EUR wert, kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass der Gläubiger dem Schuldner ein Fahrzeug zur Verfügung stellt, dass dem gleichen Verwendungszweck dient, jedoch einen geringeren Wert hat.
Rz. 519
Im Gesamtergebnis muss der Gerichtsvollzieher hier also insbesondere auch die Interessen des Gläubigers vor Augen haben und dessen rechtliche Handlungsmöglichkeiten wahren, ohne dass der Gläubiger in jedem Einzelfall gezwungen wird, an der eigentlichen Vollstreckungshandlung teilzunehmen. Dabei ist auch an die Möglichkeiten des § 825 ZPO zu denken. Wie immer kann in der Praxis die sc...