Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 37
Der Vollstreckungsauftrag unterliegt nach § 754 ZPO zunächst keinem Formzwang. Dieser Grundsatz erfährt allerdings insoweit eine Durchbrechung als der Gesetzgeber das Bundesministerium der Justiz mit Zustimmung des Bundesrats durch Rechtsverordnung verbindliche Formulare einführen kann. Hiervon hat der Gesetzgeber mit der Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung (ZVFV) Gebrauch gemacht. Für Aufträge an den Gerichtsvollzieher wegen der Vollstreckung von Geldforderungen, mithin auf Aufträge nach § 802a Abs. 2 ZPO, ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ZVFV zwingend das Formular der Anlage 1 ZVFV "Vollstreckungsaufträge an Gerichtsvollzieher" zu verwenden. Daneben ist nach § 2 Abs. 2 ZVFV zwingend dem Vollstreckungsauftrags an den Gerichtsvollzieher eine Forderungsaufstellung nach der Anlage 6 ZVFV der ZVFV beizufügen.
Rz. 38
Gegenüber dem Gerichtsvollzieher kann auch elektronisch kommuniziert werden. Dazu gelten über § 753 Abs. 4 ZPO § 130a ZPO die dazu erlassene Rechtsverordnung und § 298 ZPO. Erfasst ist die gesamte Kommunikation gegenüber dem Gerichtvollzieher soweit sie schriftlich zu erfolgen hat. Aus dem Sinn und Zweck und dem Ziel einer Stärkung des elektronischen Rechtsverkehrs folgt aber, dass auch nicht schriftformbedürftige Dokumente auf den genannten Kanälen eingereicht werden können. Wichtigste Ausnahme sind die vollstreckbaren Ausfertigungen selbst, die bislang weitgehend ausschließlich in Papierform vorgelegt werden können. Die elektronische Zwangsvollstreckung leidet insbesondere daran, dass – mit Ausnahme der Fälle des § 754a ZPO und § 829a ZPO – nahezu stets eine vollstreckbare Ausfertigung des Vollstreckungstitels vorzulegen ist. Denn Ausfertigungen gerichtlicher Vollstreckungstitel werden ausschließlich in Papierform gem. § 317 Abs. 2 S. 1 ZPO erteil. Die Nutzung der elektronischen Wege ist daher für die Antragstellung zumeist nur bedingt vorteilhaft. Perspektivisch wird es entweder einer Ausweitung der – aus Gesichtspunkten des Schuldnerschutzes nicht unbedenklichen – Vollstreckung ohne Titelvorlage oder anderer – ggf. technischer – Lösungen bedürfen, wie z.B. der Schaffung eines elektronischen Titelgültigkeitsregisters.
Rz. 39
Nach §§ 130d, 753 Abs. 5 ZPO, welche durch das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5.7.2017 eingeführt wurde, besteht für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts seit dem 1.1.2022 die Pflicht, Vollstreckungsaufträge an Gerichtsvollzieher und Anträge an Vollstreckungsgerichte als elektronische Dokumente zu übermitteln. Die aktive Nutzungspflicht gilt gleichermaßen für anwaltliche Insolvenzverwalter. Für die Beitreibung öffentlich-rechtlicher Forderungen gilt die elektronische Nutzungspflicht nur, soweit auf § 753 Abs. 5 ZPO ausdrücklich verweisen wird. Die Einführung der aktiven Nutzungspflicht für die Beauftragung des Gerichtsvollziehers bereitet vor dem Hintergrund, dass das Zwangsvollstreckungsverfahren außerhalb der §§ 754a, 829a ZPO systematisch schon wegen der regelmäßig nur in Papier möglichen Titelvorlage noch nicht für eine Digitalisierung geeignet ist, in der Praxis Probleme. Es wird empfohlen, Vollstreckungsaufträge nunmehr sowohl elektronisch (ohne Anlagen) als auch in Papierform (mit Anlagen und unter Beifügung einer Kopie des elektronischen Antrags mit Eingangsbestätigung) einzureichen. Allerdings dürfte diese Vorgehensweise gegenüber solchen, die nicht von der aktiven Nutzungspflicht betroffen sind (wie Inkassobüros), wegen der durch die Medienbrüche und Doppeleinreichungen fast zwangsläufig eintretenden Verzögerungen nicht unerhebliche Rangrisiken gem. § 804 Abs. 3 ZPO tragen. Daher sollte der Vollstreckungsauftrag zunächst elektronisch mit einer Titelkopie und Hinweis auf die Nachreichung des Original-Titels übermittelt wird. Sodann sollte die automatisierte Eingangsbestätigung des Intermediärs gedruckt und mit der vollstreckbaren Ausfertigung in Papier umgehend nachgesandt werden. Der Gesetzgeber hat hierauf zwar mit den bisherigen Änderungen der ZVFV nicht reagiert. Jedoch wurde das Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Zwangsvollstreckung vorgelegt, dessen Hauptziel darin liegt, hybride Anträge zu vermeiden (vgl. hierzu Rdn 44).
Rz. 40
Hinweis
Das aktuelle Verfahren, dass insbesondere Rechtsanwälte die Anträge elektronisch einreichen müssen, § 130d ZPO, dann aber der Vollstreckungstitel nachgesandt wird, ist nicht nur antiquiert, sondern hat die Verlustgefahr erheblich vergrößert und verzögert die Verfahren durchgängig, was auch Fragen des Pfändungszeitpunkts und der Reihenfolge der Gläubiger i.S.d. § 804 Abs. 3 ZPO berührt. Dem Autor zu Ohren gekommen sind Fälle des Titelverlustes sowie der Verfahrensverzögerung mit Rangverlusten. Hier ist an Fragen der Amtshaftung zu denken.
Rz. 41
Für die Beitreibung öffentlich-rechtlicher Forderung gilt die elektronische Nutzungspflicht nur, soweit auf § ...