A. Einleitung

 

Rz. 1

 

Hinweis:

Der Exkurs ist die wortgetreue Übernahme eines Aufsatzes des Verfassers, der in ZAP 2018, 119 unter dem Titel "Der Aufwendungsersatzanspruch des Käufers für den Ausbau einer mangelhaften und den Einbau einer mangelfreien Sache" erschienen ist.

Mit der Reform des Bauvertragsrechts hat auch die kaufrechtliche Mängelgewährleistung zum 1.1.2018 wesentliche Änderungen erfahren.[1] Dabei kommt der Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 439 Abs. 3 BGB (nachstehende Rdn 6 ff.) zwar den Vorgaben des EuGH in der Rechtssache Weber und Putz (Rdn 2) zum Aus- und Einbau im Zusammenhang mit der Nacherfüllung nach[2]  – er weicht jedoch mit der Gesetz gewordenen reinen Aufwendungsersatzlösung von der bisherigen BGH-Rechtsprechung[3] im Nachgang zur EuGH-Entscheidung ab (Rdn 3).

[1] Dauner-Lieb, NZBau 2015, 684; Lenkeit in: Dammert/Lenkeit/Oberhauser/Pause/Stretz, Das neue Bauvertragsrecht, § 7 (S. 249 ff.).
[2] Zum Problem näher Augenhofer/Appenzeller/Holm, JuS 2011, 680; Brors, NJW 2013, 3329; Horn, NJW 2017, 289; Jaensch, NJW 2012, 1025; Kaiser, JZ 2011, 978; Lenkeit, IBR 2012, 262; v. Westphalen, BB 2015, 2883.
[3] BGHZ 192, 148.

B. Ausgangslage

I. Das EuGH-Urteil vom 16.6.2011

 

Rz. 2

Mit Urt. v. 16.6.2011 hat der EuGH in der Rechtssache Weber und Putz[4] auf eine Vorlage des BGH vom 14.1.2009[5] entschieden, dass der Verkäufer einer beweglichen Sache im Rahmen der Nacherfüllung gegenüber dem Verbraucher verpflichtet sein kann, die bereits in eine andere Sache eingebaute mangelhafte Kaufsache auszubauen und eine mangelfreie Ersatzsache einzubauen oder die Kosten für beides zu tragen. Damit hat der EuGH eine Ausweitung des Nacherfüllungsanspruchs des Verbrauchers gegenüber der bis dato geübten Rechtspraxis in Deutschland vollzogen.

 

Rz. 3

Der BGH hatte bis zur Entscheidung des EuGH angenommen, dass der Nacherfüllungsanspruch des Käufers als Modifikation des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs zu begreifen sei (vgl. § 433 Abs. 1 S. 2 BGB) mit der Folge, dass der Anspruch auf Nacherfüllung in seinem Umfang nicht weiter reichen könne als der ursprüngliche Anspruch auf Erfüllung.[6] Der Erfüllungsanspruch gehe nach § 433 Abs. 1 BGB regelmäßig aber nur auf Übereignung und Übergabe einer mangelfreien Kaufsache. Der BGH wollte infolgedessen dem Verbraucher einen Ersatz weitergehender Kosten gegen den Verkäufer, verursacht durch den Ausbau einer mangelhaften und den Einbau einer mangelfreien Kaufsache nur gewähren, wenn die weitergehenden Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nach den §§ 437 Nr. 3, 440, 280 ff. BGB vorliegen – der Verkäufer also nach § 280 Abs. 1 BGB insbesondere schuldhaft gehandelt hatte.

 

Rz. 4

Nach Ansicht des EuGH in der Rechtssache Weber und Putz (vorstehende Rdn 2) erfasst hingegen bereits der Nacherfüllungsanspruch des Verbrauchers nach § 437 Nr. 1 BGB in seiner Auslegung an den Vorgaben des Art. 3 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 1999/44 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (VerbrGKRL) auch den Ausbau der mangelhaften Kaufsache und den Einbau einer mangelfreien Ersatzsache.

[4] C 65/09 und 87/09 = Slg. 2011, I-5257 = NJW 2011, 2269 = EWiR 2011, 489 (Klees). Dazu Popescu, BauR 2011, 1734; Maultzsch, GPR 2011, 253.
[5] VIII ZR 70/08, NJW 2009, 1660.

II. Richtlinienkonforme Rechtsfortbildung des BGH durch teleologische Reduktion

 

Rz. 5

Der BGH[7] hatte im Nachgang zur Entscheidung des EuGH in richtlinienkonformer Auslegung des § 439 Abs. 1 2. Alt. BGB anerkannt, dass die Nacherfüllungsvariante "Lieferung einer mangelfreien Sache" auch den Ausbau und den Abtransport der mangelhaften Kaufsache erfasst. Zugleich hatte er konstatiert, dass das in § 439 Abs. 3 S. 3 BGB alt dem Verkäufer eingeräumte Recht, die einzig mögliche Form der Abhilfe wegen (absolut) unverhältnismäßiger Kosten zu verweigern, mit Art. 3 VerbrGKRL nicht vereinbar sei. Die dadurch auftretende Regelungslücke sei bis zu einer gesetzlichen Neuregelung durch eine teleologische Reduktion des § 439 Abs. 3 BGB alt für Fälle des Verbrauchsgüterkaufs zu schließen. Die Vorschrift sei beim Verbrauchsgüterkauf einschränkend dahingehend anzuwenden, dass ein Verweigerungsrecht des Verkäufers nicht bestehe, wenn nur eine Art der Nacherfüllung möglich ist oder der Verkäufer die andere Art der Nacherfüllung zu Recht verweigert. In diesen Fällen beschränke sich das Recht des Verkäufers, die Nacherfüllung in Gestalt der Ersatzlieferung wegen unverhältnismäßiger Kosten zu verweigern, auf das Recht, den Käufer bezüglich des Ausbaus der mangelhaften Kaufsache und des Einbaus der als Ersatz gelieferten Kaufsache auf die Kostenerstattung in Höhe eines angemessenen Betrages zu verweisen. Bei der Bemessung dieses Betrages seien der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand und die Bedeutung des Mangels zu berücksichtigen. Zugleich sei zu gewährleisten, dass durch die Beschränkung auf eine Kostenbeteiligung des Verkäufers das Recht des Käufers auf Erstattung der Aus- und Einbaukosten nicht ausgehöhlt werde.

[7] BGHZ 192, 148 = NJW 2012, 1072.

C. Aufwendungsersatz für Ein- und Ausbauleistungen (§ 439 Abs. 3 BGB)

 

Rz. 6

Hat der Käufer die mangelhafte Sa...

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