Rz. 480

Die Ansässigkeit ist in der Praxis am häufigsten durch das Vorliegen eines Wohnsitzes im Inland gegeben. Der steuerliche Wohnsitzbegriff ist in § 8 AO gesondert definiert. Danach liegt ein Wohnsitz in Deutschland vor, wenn man hier eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass man die Wohnung beibehalten und benutzen wird. In dieser Definition finden sich mehrere Voraussetzungen, die alle erfüllt sein müssen, um einen Wohnsitz zu bejahen:

 

Rz. 481

Erstens muss eine "Wohnung" vorliegen. Darunter ist ein umbauter Raum mit einer Decke zu verstehen. Es muss Zugang zu einer WC-Anlage, einer Kochstelle und einem Wasseranschluss bestehen. Schließlich muss der Raum mit einer "zum Wohnen geeigneten Möblierung" ausgestattet sein. Bei allen Merkmalen reichen einfachste Ausstattungen aus. Ein Mindestqualitätsstandard existiert nicht. In der Praxis des internationalen Mitarbeitereinsatzes bereitet die Frage, ob eine Wohnung vorliegt, regelmäßig keine Probleme. Die Mitarbeiter leben hier in Deutschland normalerweise in Unterkünften, bei denen sich die Frage nicht ernsthaft stellt, ob es sich um eine Wohnung im oben definierten Sinn handelt.
Zweitens muss der Mitarbeiter die Wohnung "innehaben". Darunter ist die tatsächliche Verfügungsmacht zu verstehen, egal ob als Eigentümer oder als Mieter. Auch ist es unerheblich, ob die Wohnung von dem Mitarbeiter selbst angemietet wurde oder z.B. vom Arbeitgeber, der sie dann dem Mitarbeiter überlässt. Als Merkregel kann gelten: Derjenige hat die tatsächliche Verfügungsmacht, der jederzeit Zugang zu der Wohnung hat und sie nach Belieben im Rahmen der gesetzlichen Regeln nutzen kann. Wird die Wohnung von mehreren Personen genutzt, z.B. Familien oder Wohngemeinschaften, so hat jedes Mitglied der Gemeinschaft die Wohnung inne.

Zweifelsfälle zum "Innehaben"

a. Ein Mitarbeiter hat eine Wohnung inne, alleine oder im Rahmen einer Gemeinschaft. Er geht drei Jahre ins Ausland, die Wohnung bleibt bestehen, er hat nach wie vor uneingeschränkten Zugang und das Nutzungsrecht. Damit hat er während des Auslandseinsatzes weiterhin hier eine Wohnung inne. Ob er sich melderechtlich abmeldet, spielt keine Rolle. Ebenso ist es grundsätzlich unerheblich, wie oft er die Wohnung während des Auslandseinsatzes tatsächlich nutzt. Im Extremfall braucht er sie während dieser Zeit überhaupt nicht zu nutzen.[6]

b. Ein Mitarbeiter hat eine Wohnung inne, gibt sie allerdings anlässlich seines dreijährigen Auslandsaufenthaltes auf. Um hier eine Postanschrift zu haben und einen Pkw zu betreiben, meldet er sich unter der Wohnung der Eltern an. Er hat einen Schlüssel und wenn er nach Deutschland kommt, übernachtet er bei den Eltern. Eine solche mehr formelle Anmeldung unter einer inländischen Wohnung führt in aller Regel nicht dazu, dass der Mitarbeiter diese Wohnung "inne" hat. Er kann normalerweise nicht nach Belieben über die Wohnung verfügen. Er hat lediglich Gastrecht.[7]

c. Wird die Wohnung während des Auslandseinsatzes "echt" vermietet, also an einen fremden Dritten, hat der Mitarbeiter diese Wohnung nicht mehr inne. Erfolgt die "Vermietung" dagegen nur zum Schein, innerhalb des Verwandten-/ Bekanntenkreises, hat der Mitarbeiter die Wohnung weiterhin inne, denn er kann jederzeit in die Wohnung hinein und sie nach Belieben nutzen.

Drittens müssen Umstände vorliegen, die darauf schließen lassen, dass der Mitarbeiter die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Aufgrund dieser Umstände muss eine in die Zukunft gerichtete Prognose abgegeben werden, ob die Wohnung beibehalten und benutzt werden wird. Dabei muss es sich um objektiv nachprüfbare Umstände handeln. Innere Vorbehalte oder nicht konkretisierte Pläne und Wünsche sind bedeutungslos. Als solche nachprüfbaren Umstände kommen z.B. in Betracht: Laufzeit des Mietvertrags, steht die Wohnung im Eigentum des Mitarbeiters, Aussagen im Arbeitsvertrag hinsichtlich der Einsatzlänge und des Einsatzortes, handelt es sich um eine möbliert angemietete Wohnung, was geschieht mit der bisherigen Wohnung, wo wohnt die engere Familie, für wie lange wurde eine Aufenthalts- und/oder Arbeitsgenehmigung beantragt. Entscheidend ist regelmäßig das Gesamtbild, nicht ein einzelner Punkt. Obwohl auch die melderechtliche An- oder Abmeldung ein "objektiv nachprüfbarer Umstand ist" kommt ihr bei der Gesamtbetrachtung kaum Bedeutung zu. Es kommt vielmehr auf die tatsächliche Lage an. Alle Umstände sind daraufhin zu überprüfen, ob sie für oder gegen das zukünftige Beibehalten und Benutzen der Wohnung sprechen. Offensichtlich ist darin auch ein Zeitelement enthalten. Wie lange muss der Steuerpflichtige die Wohnung beibehalten wollen, wie häufig muss er sie nutzen? Betrachtet man die BFH-Rechtsprechung, so ist dabei zwischen der Begründung eines Wohnsitzes und dessen Auflösung zu unterscheiden. Im Impatriate-Fall, also bei einem Mitarbeitereinsatz vom Ausland nach Deutschland hinein gilt: Das Gesamtbild der Umstände muss im Moment der Einreise nach Deutschland auf...

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