Rz. 105

Auch dem frühen ersten Termin soll nach § 278 Abs. 2 i.V.m. § 272 Abs. 3 ZPO ein Termin zur Güteverhandlung vorausgehen. Die Bestimmung eines Termins zur Durchführung einer Güteverhandlung soll nur unterbleiben, wenn ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle bereits stattgefunden hat oder die Güteverhandlung erkennbar aussichtslos erscheint.

 

Rz. 106

Eine Güteverhandlung dürfte schon dann nicht mehr als erkennbar aussichtslos erscheinen, wenn der Beklagte ausdrücklich auf die Möglichkeit der Güteverhandlung und seine Vergleichsbereitschaft hinweist.[51] Dies wird der Bevollmächtigte mit seinem Mandanten zu erörtern haben. Dabei werden die Ziele einer möglichen gütlichen Einigung zu bestimmen sein. Zur Vermeidung von Haftungsfällen sollten diese Ziele gegenüber dem Mandanten schriftlich fixiert werden.[52]

 

Rz. 107

Dabei muss der Prozessbevollmächtigte berücksichtigen, dass es für den Beklagten Gründe geben kann, außerhalb der tatsächlichen und rechtlichen Berechtigung des Klageanspruches den Weg einer gütlichen Einigung zu suchen. So kann es für den "geschäftlichen Ruf" nachteilig sein, ein Prozessverfahren durchstehen zu müssen. Auch kann die emotionale, familiäre oder wirtschaftliche Bindung der Prozessparteien eine solche Einigung nahe legen.

 

Rz. 108

 

Beispiel

Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten, die einen kleinen Friseurladen in einer ländlichen Region betreibt, geltend, durch die fehlerhafte Auswahl und Verwendung eines Dauerwellenmittels eine Körperverletzung und infolgedessen einen weitergehenden Schaden erlitten zu haben. Die Beklagte führt die Hautreizungen auf eine für sie nicht erkennbare allergische Reaktion zurück. Hier kann der Beklagten mehr an einer schnellen und gütlichen Einigung "ohne Anerkennung" einer Rechtspflicht bei gleichzeitiger Vereinbarung, dass die Klägerin die Behauptung, sie sei fehlerhaft bedient worden, unterlässt, gelegen sein, um nicht andere Kunden abzuschrecken.

 

Rz. 109

Auch im Sinne einer fortdauernden Geschäftsbeziehung kann der Beklagte bereit sein, auch aus seiner Sicht rechtlich nicht bestehende Ansprüche zum Teil zu erfüllen. Letztlich kann es sinnvoll sein, zur Vermeidung von Rückstellungen und damit der Blockade von liquiden Mitteln einen schnellen Abschluss des Streitverfahrens zu suchen oder auch weil die zeitliche und kostenintensive Inanspruchnahme durch den Prozess insgesamt unwirtschaftlich erscheint. So sind Versicherungen häufig zu gewissen Zugeständnissen bereit, wenn damit eine schnelle und endgültige Regelung gefunden werden kann.

 

Rz. 110

Unabhängig von der Erklärung des Klägers zur Durchführung einer Güteverhandlung sollte daher der Beklagte sich dazu äußern, ob ihm eine Güteverhandlung aussichtsreich erscheint oder nicht. Dabei kann durch die Andeutung von Möglichkeiten einer vergleichsweisen Einigung auch der Boden für eine entsprechende Initiative des Gerichts gelegt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn auch außerhalb des Streitverfahrens stehende Fragen in eine Gesamtregelung Eingang finden sollen.

[51] Muster einer diesbezüglichen Erklärung unter Rdn 302.
[52] Vgl. hierzu das Muster in § 2 Rdn 211.

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