Rz. 13

Nicht anders als der Klägervertreter hat also auch der Beklagtenvertreter den Sachverhalt vollständig zu klären. Dabei sind:

die Sachverhaltsdarstellung des eigenen Mandanten,
die diesem zur Verfügung stehenden Beweismittel und
die Tauglichkeit dieser Beweismittel

zu prüfen.

 

Rz. 14

Aber auch die möglichen Einwendungen des Klägers über die bereits vorliegende Klageschrift hinaus müssen erörtert und eine diesbezügliche Gegenstrategie muss geplant werden.

 

Rz. 15

Es ist also zu prüfen, inwieweit der Vortrag und die Beweisführung des Klägers durch Gegenbeweise erschüttert werden können, mit welcher Gegenreaktion des Klägers zu rechnen ist und wie hierauf wiederum reagiert werden kann. Dabei bedürfen auch die Kosten einer möglichen Beweisaufnahme, das Risiko solcher Beweisaufnahmen, das Risiko rechtlich unterschiedlicher Auffassungen und das sich daraus ergebende Gesamtprozesskostenrisiko einer Betrachtung.

 

Rz. 16

Verspricht nach einer solchen tatsächlichen und rechtlichen Prüfung sowie der Abwägung möglicher Risiken die Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg, kann der Beklagte seine Verteidigungsbereitschaft anzeigen und die Abweisung der Klage verfolgen. Dabei kommt die Abweisung als unzulässig oder als unbegründet in Betracht. Hiermit beschäftigt sich Abschnitt IV (siehe Rdn 233 ff.).

 

Rz. 17

Nicht selten ist es jedoch festzustellen, dass dem Klageanspruch mit hinreichender Aussicht auf Erfolg nicht entgegengetreten werden kann. Insoweit ist zu prüfen, inwieweit der Beklagte mit einer möglichst geringen Kostenbelastung das Verfahren zu Ende bringen kann. Hier ist an ein Anerkenntnis oder ein Versäumnisurteil zu denken. Hiermit beschäftigten sich die nachfolgenden Abschnitte B. I. 2 und 3 (siehe Rdn 21 ff.). Insoweit wird aber auch auf die Ausführungen in § 13 Rdn 137 ff., 304 ff. verwiesen, da Fragen des Anerkenntnisses oder der Säumnis sich nicht nur in Verbindung mit der Klageerwiderung, sondern auch im weiteren Prozessverlauf stellen können.

 

Rz. 18

Ist der Anspruch nicht ohne Weiteres begründet, allerdings die Rechtsverteidigung des Beklagten aufgrund der Beweislastverteilung und der zur Verfügung stehenden Beweismittel auch nicht ohne Weiteres erfolgversprechend, kann die Erhebung der Klage für den Beklagten auch Anlass sein, außergerichtliche Vergleichsverhandlungen zu forcieren. Hiermit beschäftigt sich Abschnitt B. I. 4 (siehe Rdn 56 ff.).

 

Rz. 19

In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass das Ziel des Mandanten sein kann, den Rechtsstreit und damit die Titulierung seiner Zahlungspflicht lediglich zu verzögern, da er im Zeitpunkt der Erstberatung bzw. der Klageerhebung nicht über die notwendigen Mittel zur Begleichung der Klageforderung verfügt. Neben Fristverlängerungsgesuchen muss hier auch Fragen der Erhebung von Verfahrensrügen Beachtung geschenkt werden. Hiermit beschäftigt sich der nachfolgende Abschnitt B. I. 5 (siehe Rdn 74 ff.).

 

Rz. 20

 

Praxistipp

Insbesondere dann, wenn der Rechtsanwalt nicht davon ausgeht, dass die Rechtsverteidigung in der Sache hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und der Mandant letztlich auch andere Ziele verfolgt, sollten die Zielsetzungen ausdrücklich schriftlich gegenüber dem Mandanten festgehalten werden.[1] Für die Praxis lässt sich durchaus feststellen, dass Mandanten später hinsichtlich des vereinbarten Vorgehens reuig werden, insbesondere, wenn die Tragung der Prozesskosten auf sie zu kommt. Dann wird bestritten, dass mit dem Rechtsanwalt die Verfolgung bestimmter Ziele vereinbart wurde und der Rechtsanwalt über die möglichen Kosten aufgeklärt hat. Zugleich wird behauptet, dass man bei einer entsprechenden Belehrung einen anderen, kostengünstigeren Weg gewählt hätte. Die Mehrkosten sollen dann von dem Rechtsanwalt aus Haftungsgesichtspunkten getragen werden. Hier hat der Rechtsanwalt schlechte Aussichten für seine Rechtsverteidigung, wenn er den Inhalt seines Auftrages nicht nachweisen kann.

[1] Vgl. hierzu das Muster C-I in § 2 Rdn 211.

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