Rz. 32

Bei Verbraucherverträgen gelten nach der gesetzlichen Fiktion des § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB Allgemeine Geschäftsbedingungen als vom Unternehmer (§ 14 BGB) "gestellt", es sei denn, dass sie durch den Verbraucher (§ 13 BGB) in den Vertrag eingeführt wurden. § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB begründet für Standard-Verbraucherverträge (bei denen Allgemeine Geschäftsbedingungen, d.h. für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte Vertragsbedingungen,[83] verwendet werden) und Allgemeine Geschäftsbedingungen, die der Unternehmer gestellt hat (§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB – wobei auch Drittbedingungen erfasst werden,[84] siehe § 3 Rdn 44), eine gesetzliche Vermutung (gesetzliche Fiktion; vgl. Wortlaut: "gelten") zulasten des Unternehmers:[85] Entsprechende Vertragsbedingungen gelten als vom Unternehmer gestellt (Fiktion des Tatbestandsmerkmals "Stellen") – es sei denn, der Verbraucher hat sie in den Vertrag eingeführt,[86] wofür den Unternehmer die Beweislast trifft[87] (vgl. Art. 3 Abs. 2 S. 3 Klausel-Richtlinie).

 

Rz. 33

Vom Unternehmer ständig verwendete Allgemeine Geschäftsbedingungen sind diesem auch dann zuzurechnen, wenn sie jeweils handschriftlich in eine Leerstelle des Vertrags eingesetzt werden.[88] § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB findet des Weiteren dann Anwendung, wenn vorformulierte Regelungen nicht auf Verlangen des Unternehmers, sondern auf Vorschlag eines Dritten (sog. Drittklausel – bspw. von Notaren oder Maklern) Vertragsinhalt geworden sind.[89] Dies liegt darin begründet, dass nach dem Wortlaut und dem Schutzzweck von Art. 3 der Klausel-Richtlinie die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, auch Drittklauseln in eine Inhaltskontrolle mit einzubeziehen.[90]

 

Rz. 34

Klauseln, die nicht vom Verwender (sondern von einem unbeteiligten Dritten [bspw. einem neutralen Notar – nicht jedoch von einem "Hausnotar"]) "gestellt" werden (sog. Drittklauseln), sind nach § 305 Abs. 1 S. 1 BGB (eigentlich) keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Davon weicht § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB für Verbraucherverträge ab und fingiert Drittklauseln (vgl. Wortlaut: "gelten") grundsätzlich als Allgemeine Geschäftsbedingungen. Etwas anderes gilt nur dann (d.h. keine Qualifikation als "Allgemeine Geschäftsbedingung"), wenn

der Verbraucher sie selbst (bzw. wenn sie in seinem Auftrag durch einen Rechtsanwalt oder einen Notar in den Vertrag eingestellt werden)[91] in den Vertrag eingeführt hat (z.B. Klauseln seines "Hausnotars")[92] oder wenn
es sich um eine Individualabrede i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB handelt.[93] Letzteres ist dann anzunehmen, wenn der Unternehmer einen gesetzesfremden Regelungsgehalt ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verbraucher eine reale Möglichkeit zur Änderung des Klauselinhalts eröffnet.[94]
 

Rz. 35

Eine "Vielzahl von Verwendungen" (i.S.d. AGB-Begriffs) liegt auch vor, wenn der (neutrale) Notar die Vertragsbedingungen aus seiner ständig benutzten Mustersammlung entnimmt.[95]

 

Beachte

Im Falle des § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB trägt der Verbraucher die Beweislast dafür, dass eine Klausel für eine "Vielzahl von Verwendungen" vorformuliert worden ist[96] und er infolge der Vorformulierung keinen Einfluss auf ihren Inhalt nehmen konnte.[97] Dies war vor der Entscheidung des BGH umstritten, da nach einer Auffassung aus Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 der Missbräuchliche-Klausel-Richtlinie (wonach der Unternehmer beweisen muss, dass eine Standardvertragsklausel im Einzelnen ausgehandelt worden ist) angenommen wurde, dass nicht der Verbraucher, sondern der Unternehmer die Beweislast dafür trägt, dass der Verbraucher trotz der Vorformulierung auf den Inhalt der Klausel Einfluss nehmen konnte.[98] Überwiegend war hingegen die Auffassung vertreten worden, dass – dem Wortlaut der Vorschrift entsprechend – der Verbraucher nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen des gesetzlichen Tatbestands trägt.[99] Das Merkmal der "Einflussmöglichkeit" soll aber gleichbedeutend[100] oder weitgehend gleichbedeutend[101] mit dem "Aushandeln" i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB sein.

Der Unternehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die vorformulierten Vertragsklauseln im Einzelnen ausgehandelt worden sind, obwohl sie vorformuliert wurden.[102]

Für den Fall, dass es sich um die Verwendung einer Einmalklausel in einem Verbrauchervertrag handelt, muss aufgrund des Wortlauts in § 310 Abs. 3 Nr. 1 und 2 BGB hingegen der Verbraucher den Nachweis führen, dass eine in Rede stehende Klausel vorformuliert worden ist – und darüber hinaus auch, dass er auf deren Inhalt (i.S. einer Individualabrede nach § 305 Abs. 1 S. 2 BGB) keinen Einfluss nehmen konnte.[103]

[84] D.h. auch vom Notar aufgesetzte Standard-Verbraucherverträge unterliegen der Inhaltskontrolle – Staudinger/Schlosser, § 310 BGB Rn 9.
[85] AnwK-Schuldrecht/Hennrichs, § 310 BGB Rn 9.
[86] Bspw. durch Verwendung entsprechender ADAC-Formulare beim Autokauf oder ein Mietformularvorschlag des Mieters: Palandt/Grüneberg, § 310 BGB Rn 13.

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