Rz. 12

 

Vorbemerkung

Die Niederspannungsanschlussverordnung (NAV),[36] Niederdruckanschlussverordnung (NDAV),[37] Stromgrundversorgungsverordnung (StromGVV),[38] Gasgrundversorgungsverordnung (GasGVV),[39] Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV)[40] und die Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV)[41] unterfallen als Rechtsverordnungen nicht dem Zweiten Abschnitt des Zweiten Buches des BGB (§§ 305 ff. BGB) und damit auch keiner Inhaltskontrolle. Gleichwohl besteht die Möglichkeit, auch diese Allgemeinen Versorgungsbedingungen auf die Einhaltung der Ermächtigung (und damit auf ihre Angemessenheit) hin zu überprüfen.[42]

 

Rz. 13

Aber: Besondere Bedingungen für Sonderabnehmer bedürfen hingegen der Einbeziehung in Verträge (d.h. gegenüber Sonderabnehmern gelten die Allgemeinen Versorgungsbedingungen nur kraft Einbeziehung in den jeweiligen Vertrag) und unterliegen damit grundsätzlich auch der Inhaltskontrolle, die in § 310 Abs. 2 BGB eine Modifikation dahingehend erfährt, dass die Inhaltskontrolle nach den §§ 308 und 309 BGB – zwecks Gleichbehandlung von Sonder- mit Tarifabnehmern ("um Sonderabnehmer nicht besser zu stellen als Tarifabnehmer")[43] – ausgeschlossen wird[44] (Freistellung von den §§ 308 f. BGB). Gemäß § 310 Abs. 2 S. 2 BGB gilt diese Vorgabe auch für Verträge über die Entsorgung von Abwasser.

Hingegen bleibt eine Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB möglich,[45] ebenso wie eine Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB.[46]

 

Rz. 14

 

Beachte

Die §§ 308 und 309 BGB würden ohnehin kaum zur Anwendung gelangen, da Sonderabnehmer meist Unternehmer (i.S.v. § 14 BGB) sind, weswegen bereits § 310 Abs. 1 S. 1 BGB einschlägig ist – weswegen Heinrichs[47] mit Recht darauf hinweist, dass die praktische Bedeutung von § 310 Abs. 2 BGB gegen Null tendiere.

 

Rz. 15

Nach § 310 Abs. 2 S. 1 BGB (Versorgungsunternehmen) finden die §§ 308 und 309 BGB in Vereinbarkeit mit Art. 1 Abs. 2 der Klausel-Richtlinie[48] keine Anwendung auf Verträge der

Elektrizitäts-,
Gas-,
Fernwärme- und
Wasserversorgungsunternehmen

über die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser aus dem Versorgungsnetz, soweit die Versorgungsunternehmen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser abweichen. Dieser Ausnahmetatbestand gilt nach § 310 Abs. 2 S. 2 BGB entsprechend für Verträge über die Entsorgung von Abwasser.

 

Rz. 16

Damit übernimmt § 310 Abs. 2 BGB die frühere Ausnahme des § 23 Abs. 2 Nr. 3 AGB-Gesetz (alt), hinter der der Gedanke stand, dass Sonderabnehmer, auch wenn sie Verbraucher (i.S.v. § 13 BGB) sind, keines stärkeren Schutzes bedürfen als Tarifabnehmer.[49] Daher muss es entsprechenden Versorgungsunternehmen freistehen, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit Sonderabnehmern entsprechend den Allgemeinen Versorgungsbedingungen (die für den Regelfall der typisierten Vertragsbeziehungen der Versorgungsunternehmen zu Tarifkunden den Inhalt der Versorgungsverträge bestimmen) auszugestalten (Anerkennung des Bedürfnisses für eine Parallelgestaltung gegenüber Verbrauchern als Tarifkunden und Verbrauchern als Sonderabnehmern).

Mit § 310 Abs. 2 S. 1 BGB verfolgt der deutsche Gesetzgeber das Ziel, "es den Versorgungsunternehmen freizustellen, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Verträge mit Sonderabnehmern entsprechend den Allgemeinen Versorgungsbedingungen für Tarifabnehmer auszugestalten",[50] weswegen der BGH[51] den Bestimmungen der AVBGasV auch für Sonderkundenverträge eine u.a. auf das Preisänderungsrecht nach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV bezogene Leitbildfunktion beigemessen hat, da der Gesetzgeber mit § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV selbst den Beurteilungsmaßstab gesetzt habe, "ob Sonderkunden durch eine Preisanpassungsklausel i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt werden, so dass bei einer vertraglichen Preisanpassungsklausel, die mit § 4 AVBGasV inhaltlich übereingestimmt hat, also davon nicht zum Nachteil des Abnehmers abgewichen ist, keine unangemessene Benachteiligung des Sonderabnehmers anzunehmen war".[52]

§ 310 Abs. 2 BGB sieht vor, dass Verträge mit Sonderabnehmern nicht nur im Bereich der Gas- und Stromversorgung (wie unter der Geltung des AGBG), sondern auch auf dem Fernwärme- und Wassersektor neben der allgemeinen Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unter bestimmten Voraussetzungen auch einer richterlichen Überprüfung nach den §§ 308, 309 BGB unterliegen. Dabei wollte der Gesetzgeber jedoch mit der Einbeziehung von Fernwärmeverträgen in § 310 Abs. 2 BGB lediglich eine vom Schrifttum bemängelte "planwidrige Lücke" für die auch auf dem Fernwärme- und Wassersektor in Einzelfällen anzutreffenden Sonderverträge ausfüllen[53] – wobei es dem Gesetzgeber nicht um eine Erweiterung der AGB-rechtlichen Kontrolle nach den §§ 307 ff. BGB auf sämtliche auf dem Fernwärme- und Wassersekto...

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