Rz. 2

§ 310 Abs. 1 S. 1 BGB entspricht – wie dargelegt (siehe Rdn 1) – fast wörtlich § 24 AGB-Gesetz (alt), wobei lediglich die Verweisung auf die Vorschriften des alten AGB-Gesetzes durch einen Verweis auf die Vorschriften des Zweiten Abschnitts des Zweiten Buches des BGB (Gestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen) ersetzt wurde (und verbindet die persönliche und die sachliche Begrenzung des Anwendungsbereichs miteinander).[4] Nach § 310 Abs. 1 S. 1 BGB finden

§ 305 Abs. 2 und 3 BGB (über die Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Vertrag) und die
§§ 308 und 309 BGB (über die Inhaltskontrolle)

(sachliche Begrenzung) keine Anwendung (i.S. einer Beschränkung des Schutzes nach den §§ 305 ff. BGB) auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber

einem Unternehmer (§ 14 BGB, siehe Rdn 3 f.),
einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (siehe Rdn 5) oder
einem (nicht rechtsfähigen) öffentlich-rechtlichen Sondervermögen,

(persönliche Begrenzung) mithin im unternehmerischen Geschäftsverkehr, verwendet werden. D.h., für diesen Bereich gelten Erleichterungen hinsichtlich der Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Vertrag und Sonderregelungen für die Inhaltskontrolle (eingeschränkte Geltung gegenüber Unternehmern).[5] Auf den unternehmerischen Geschäftsverkehr findet damit der gesamte Abschnitt 2 (außer den § 305 Abs. 2 und 3, § 308 und § 309 BGB) Anwendung.

 

Rz. 3

Unternehmer[6] ist nach § 14 Abs. 1 BGB jede natürliche oder juristische Person bzw. rechtsfähige Personengesellschaft (i.S.v. § 14 Abs. 2 BGB, d.h. eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen), die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt (wozu auch gewerblich tätige Landwirte zählen).[7] Daraus folgt, dass § 310 Abs. 1 BGB auf Privateinkäufe des Unternehmers (die nicht seiner unternehmerischen Tätigkeit zuzurechnen sind) keine Anwendung findet.[8] Ein Vertrag mit einem Existenzgründer unterfällt bei erstmaliger Aufnahme seiner unternehmerischen Tätigkeit noch der vollen AGB-Kontrolle nach dem § 307 ff. BGB.[9]

Im Anwendungsbereich des § 310 Abs. 1 S. 1 BGB ist überdies zu berücksichtigen, dass der geschäftserfahrene Unternehmer nicht in gleichem Maße schutzbedürftig ist wie ein Verbraucher, da der unternehmerische Geschäftsverkehr regelmäßig mit den Risiken des Geschäfts besser vertraut ist. Das Transparenzgebot ist im Rahmen der Inhaltskontrolle in der Anwendung gegenüber Unternehmern eingeschränkt, da bei ihnen ein generell höherer Verständnishorizont vorausgesetzt werden kann.[10]

Ein Bauträgervertrag, in dem der Verbraucher – ein Existenzgründer – nach § 9 Abs. 1 UStG zur Umsatzsteuer optiert, um eine Umsatzsteuerrückvergütung zu erhalten, ist kein Verbrauchervertrag gemäß § 310 Abs. 3 BGB, sondern ein Unternehmervertrag gemäß § 310 Abs. 1 BGB.[11]

 

Rz. 4

Ein Scheinunternehmer, der fälschlich vorgibt, Unternehmer i.S.v. § 14 BGB zu sein, steht einem Unternehmer gleich.[12]

 

Rz. 5

Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind die Gebietskörperschaften, sonstige Körperschaften, rechtsfähige Anstalten (z.B. Rundfunkanstalten) und Stiftungen des öffentlichen Rechts – bspw. Hochschulen, öffentlich-rechtliche Kammern, staatlich anerkannte Religionsgemeinschaften, Sozialversicherungsträger etc.

 

Rz. 6

Der Ausschluss von § 305 Abs. 2 und 3 BGB erleichtert in den genannten Fällen die Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in einen Vertrag, womit ein ausdrücklicher Hinweis des Verwenders oder ein deutlich sichtbarer Aushang entbehrlich ist. Es reicht eine jede (auch stillschweigend erklärte) Willenserklärung (i.S. einer Einbeziehungserklärung) aus.[13]Hennrichs[14] weist jedoch zutreffend darauf hin, dass aufgrund des nicht normativen Charakters von Allgemeinen Geschäftsbedingungen diese als Vertragsbedingungen auch zwischen Unternehmern nicht von selbst, sondern nur bei einer rechtsgeschäftlichen Einbeziehung in den Vertrag gelten, womit § 310 Abs. 1 BGB im unternehmerischen Geschäftsverkehr lediglich von den qualifizierten Einbeziehungsvoraussetzungen freistellt.

 

Rz. 7

Der Ausschluss der §§ 308 und 309 BGB[15] befreit im unternehmerischen Geschäftsverkehr von zum Teil starren Begrenzungen und bindet die Inhaltskontrolle, die allein am Maßstab des § 307 BGB erfolgt, an die Beachtung von Handelsgewohnheiten und Handelsgebräuchen[16] (§ 310 Abs. 1 S. 2 2. Hs. BGB; vgl. zum Handelsbrauch auch § 346 HGB). Damit wird klargestellt, "dass die Wertungen des neuen Verbrauchsgüterkaufrechts nicht unbesehen auf den unternehmerischen Rechtsverkehr übertragen werden dürfen".[17] Allerdings findet das Gebot zur Beachtung der Handelsgewohnheiten und -gebräuche keine Anwendung gegenüber Unternehmern, die nicht Kaufleute i.S.d. HGB sind (bspw. gegenüber Freiberuflern oder Landwirten).[18]

Der BGH[19] hat im Hinblick auf den ...

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