Rz. 62

Gesellschaften, die von der gesellschaftsrechtlichen Bereichsausnahme nach § 310 Abs. 4 S. 1 BGB erfasst werden, sind[176] die

Handelsgesellschaften (OHG und KG),
Stille Gesellschaft,[177]
Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR),
Genossenschaft[178] bzw. der
Verein.[179]
 

Rz. 63

Damit unterliegen bspw. einer richterlichen Inhaltskontrolle allein am allgemeinen Maßstab des § 242 BGB[180] die Gesellschaftsverträge körperschaftlich strukturierter Publikumsgesellschaften[181] (und zwar sowohl formularmäßige Regelungen bei der Publikums-KG[182] als auch der Publikums-GmbH[183]) sowie die Satzung eines Vereins.[184]

 

Rz. 64

Von einem Unternehmer für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte Vertragsbedingungen unterliegen am Maßstab des § 242 BGB damit einer ähnlichen objektiven Auslegung und Inhaltskontrolle wie AGB-Klauseln[185] – Unklarheiten gehen zulasten des Unternehmers.[186] So soll bspw. eine die fahrlässige Pflichtverletzung nicht berücksichtigende Freizeichnungsklausel (da sie, wie in der Praxis üblich, nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit erfasst) jedenfalls für einen Schadensersatzanspruch aus Prospekthaftung (aus Verschulden bei Vertragsschluss, vgl. § 280 i.V.m. §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 1 BGB) unwirksam sein.[187]

 

Rz. 65

Die Schutzvorschriften des AGB-Rechts gelten in Bezug auf eine Nachhaftungsklausel in einem geschlossenen Immobilienfonds auch für Verbraucher, die sich an einer Gesellschaft beteiligen, die einem größeren Kreis von Interessenten zugänglich ist:[188] Immobilienfonds haben nämlich mit Gesellschaftsrecht in der Sache nichts zu tun, da sie den sich beteiligenden Verbrauchern keinen unternehmerischen Einfluss gewähren. Daher muss eine AGB-Klauselkontrolle nach den §§ 307 ff. BGB als Schutzrecht eingreifen und zwar von der Auslegung entsprechender Klauseln über das Transparenzgebot bis zu der angestrebten Haftungsverlagerung. Den Verbrauchern werden nämlich keine angemessenen Kontrollrechte eingeräumt. Die Verträge werden von den Initiatoren und den Banken meist vorformuliert.

 

Rz. 66

Keine Freistellung (mithin Anwendbarkeit der §§ 307 ff. BGB aufgrund der Klausel-Richtlinie) gilt für den Erwerb gesellschaftsrechtlicher Beteiligungen zur Vermögensanlage ohne unternehmerische Befugnisse[189] – ebenso[190] wie für Vereinbarungen (Abreden) über die Ausübung von Gesellschaftsrechten (bspw. des Depotstimmrechts), Genussrechtsbindungen,[191] Emissionsbindungen,[192] Satzungsbestimmungen und Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB, die das Versicherungsverhältnis zwischen dem VVaG und ­seinen Mitgliedern regeln)[193] bzw. für Satzungsbestimmungen eines Verbandes, die die Rechtsbeziehungen zu Dritten regeln,[194] weiterhin für Dienstleistungsangebote der Gesellschaft an Gesellschafter außerhalb des Gesellschaftszwecks[195] bzw. für Vorstandsver­träge.[196]

 

Rz. 67

 

Beachte

Die Anwendung gesellschaftsrechtlicher Gestaltungsformen zwecks Umgehung der §§ 305 ff. BGB unterfällt § 306 lit. a BGB.[197]

[176] Dazu Palandt/Grüneberg, § 310 BGB Rn 49.
[177] BGHZ 127, 176, 182.
[178] BGHZ 103, 219, 224 (auch soweit es um kooperationsrechtliche Austausch- und Benutzungsverhältnisse zwischen Genossenschaft und Mitglied geht); zudem OLG Naumburg OLG-NL 2002, 111 (formularmäßige Abfindungsvereinbarung zwischen einer LPG und einem ehemaligen Mitglied).
[179] BGH NJW 1998, 454; BGHZ 128, 93; OLG Düsseldorf NJW 2008, 145.
[180] Dazu auch Hey, Freie Gestaltung von Gesellschaftsverträgen und ihre Schranken, 2004.
[181] Nicht entschieden hinsichtlich einer Genossenschaftssatzung: BGHZ 103, 219, 226.
[182] Ständige Judikatur – vgl. bspw. BGHZ 104, 50, 53; 102, 172, 177; 84, 11, 13; 64, 238.
[183] LG Münster NJW-RR 1996, 676.
[184] Palandt/Grüneberg, § 310 BGB Rn 49.
[186] BGH NJW 2004, 3706, 3708.
[187] BGH NJW 2004, 3706, 3708.
[189] OLG Frankfurt/M. NJW-RR 2004, 991; OLG Oldenburg NZG 1999, 896; KG WM 1999, 325. Zudem Heinrichs, NJW 1998, 1462; MüKo/Basedow, § 310 BGB Rn 86; Palandt/Grüneberg, § 310 BGB Rn 49. Offen gelassen von BGH NJW 2001, 1270.
[190] Beispiele nach Palandt/Grüneberg, § 310 BGB Rn 49.
[191] BGHZ 119, 305, 312.
[192] Gottschalk, ZIP 2006, 1121, 1122.
[193] BGHZ 136, 394.
[194] Hiermann, NZG 1999, 325, 328; Jauernig/Stadler, § 310 BGB Rn 11; Palandt/Grüneberg, § 310 BGB Rn 49.
[195] BGH NJW-RR 1992, 379; OLG Düsseldorf NJW 2008, 1451.
[196] Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337; Palandt/Grüneberg, § 310 BGB Rn 49.
[197] Palandt/Grüneberg, § 310 BGB Rn 49.

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