Rz. 34

War der Getötete Arbeitnehmer, muss die überlebende Ehefrau dem Anwalt sämtliche Lohn- und Gehaltsabrechnungen eines Jahres überlassen und dieser muss das Nettoeinkommen anhand dieser Unterlagen ermitteln. Ferner ist der Steuerbescheid vorzulegen. Zum Einkommen gehören folgende Positionen:

Überstundenvergütungen
Zulagen
Urlaubsgeld
Weihnachtsgeld
Treueprämie (BGH VersR 1971 153)
Sachbezüge z.B. Nutzungsrecht bezüglich eines Dienstwagens (OLG Hamm zfs 1996, 211)
Steuerrückerstattungen (Steuerbescheid)
Nebenverdienste
Eigenheimzulage (Bescheid des Finanzamtes) (BGH 98 VersR 2004, 75)
Renten, die der Befriedigung des Unterhaltsbedarfs dienen (wie z.B. Verletztenrente)
Erwerbsersatzeinkommen, wie z.B. Krankengeld, Verletztengeld, Arbeitslosengeld I, Arbeitslosengeld II, Grundsicherung
Nicht: Kindergeld, dieses bleibt bei der Berechnung des Unterhaltsschadens außer Betracht (BGH, Urt. v. 12.7.1979, DAR 1980, 85 und OLG Saarbrücken SP 2005, 160)
Kapitaleinkünfte, z.B. Einkünfte aus Vermietung- und Verpachtung, sind zu berücksichtigen, wenn sie dem Unterhalt dienen
Trinkgelder (Steuererklärung, Steuerbescheid)
Kapitalertragszinsen (Steuerbescheid)
Jubiläumszuwendungen
Streitig: Auslösen, Spesen, Werkzeuggeld und Aufwandsentschädigungen
 

Praxistipp

Die vier letztgenannten Positionen sind streitig. Der Versicherer wendet oftmals ein, dass sie nicht zur Sicherstellung des Familienunterhalts bestimmt sind und beruft sich auf die BGH-Entscheidung VersR 1986, 264. Hier sollte der Anwalt die Entscheidung des OLG Hamm (VersR 1983, 927) darstellen, wonach oftmals derartige Leistungen eine Art verschleiertes Zusatzeinkommen bedeuten und dann natürlich zu berücksichtigen sind. Der Anwalt sollte sich daher genau die Gehaltszahlungen daraufhin ansehen, ob die Spesen in der abgerechneten Höhe tatsächlich angefallen sind. Er sollte die Witwe fragen, wie hoch tatsächlich die Kosten der Übernachtung waren. Waren diese geringer als der vom Arbeitgeber erstattete Betrag, dann wird es sich wahrscheinlich um ein "verschleiertes Zusatzeinkommen" gehandelt haben, welches beim Unterhalt Berücksichtigung findet. Aus der Erfahrung der Autoren ist bekannt, dass man sich in einem solchen Fall mit dem Versicherer zum Beispiel auf eine 50 %ige Quote einigen kann, d.h. 50 % der Aufwandsentschädigung und Spesen sind dann beim Nettoeinkommen zu berücksichtigen und nicht generell abzuziehen. Es ist daher immer auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen. So hat der BGH (BGH VersR 1987, 507) entschieden, dass bei Spesen, die zur Deckung besonderer Lasten einer im Außendienst tätigen Person gezahlt werden, ⅓ des Spesenansatzes den Nettoeinkünften hinzugerechnet werden muss. Der Anwalt sollte daher nicht ohne nähere Prüfung den Einwand des Versicherers akzeptieren, dass generell alle Aufwandsentschädigungen, Spesen, Werkzeuggeld sowie Auslösen vom Nettoentgelt abzuziehen sind.

Mitunter kann eine solche vergleichsweise Lösung für den Geschädigten schon einen deutlich höheren Unterhaltsanspruch bedeuten. Um das Nettoeinkommen zu errechnen, werden vom Bruttoeinkommen die Steuern, Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitnehmeranteile zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung) sowie Aufwendungen zur Vermögensbildung und Werbungskosten abgesetzt.

 

Praxistipp

Bei der Vermögensbildung wendet der Versicherer fast immer einen Abzug ein. Deswegen sieht man in den Tabellen der Versicherer auch immer bei der Ermittlung des Nettoeinkommens als nächstes den Abzug für Vermögensbildung. Hier muss der Anwalt aufpassen, denn es gibt keine allgemeinen Richtlinien, ab welchem Einkommen Familien zwangsläufig immer Geld für die Vermögensbildung verwenden. Wenn der Versicherer mit pauschalen Ansätzen daherkommt, muss der Anwalt dem entgegentreten. Maßgeblich sind die individuellen Vereinbarungen und tatsächlichen Handhabungen der Ehegatten untereinander. Wenn die Eheleute sich entschieden haben, die gesamten Einkünfte vollständig für den Lebensunterhalt einzusetzen, so hat der Versicherer das zu akzeptieren und er kann nicht pauschal behaupten, dass von dem Nettoeinkommen ein gewisser Betrag für die Vermögensbildung abzuziehen ist. Gerade bei Einkommen kleinerer und mittlerer Art haben die Familien in der Regel kein Geld für die Vermögensbildung zur Verfügung. Von daher ist es hier wichtig, dass von dem Nettoeinkommen nur Abzüge für die Vermögensbildung vorgenommen werden, wenn diese auch tatsächlich nachgewiesen sind.

Da Versicherer oft die Vermögensbildung ins Spiel bringen, wurde dem Rechnung getragen und ein Beispiel mit Vermögensbildung aufgenommen (siehe Rdn 59). Schließlich enthält der Anhang ebenfalls ein Blanko-Muster zur Berechnung mit Vermögensbildung (siehe § 14 Rdn 19).

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