Rz. 1

Die Tötungsfälle sind in der Praxis bei der Bearbeitung von Personenschäden äußerst "unbeliebt", da sie sehr kompliziert zu rechnen sind, viel Zeitaufwand in der Bearbeitung bedeuten und für den Anwalt vergütungsrechtlich wenig lukrativ sind.

 

Rz. 2

Bis dato gab es keine umfangreichen Berechnungsmuster, in denen die einzelnen Tötungsfälle mit ihren verschiedenen Konstellationen detailliert berechnet wurden. In der gängigen Literatur existieren teilweise Beispielfälle, jedoch nicht in dem Umfang, wie sie im Anhang in diesem Buch aufgeführt sind (vgl. § 14 Rdn 1 ff.). Mit der nachfolgenden umfangreichen Darstellung soll eine Lücke geschlossen werden. Der Anwalt, der einen Tötungsfall bearbeitet, kann daher die Blanko-Muster 1 zu 1 für seinen Fall übernehmen. Er kann die Blanko-Muster kopieren und trägt lediglich noch seine Daten in die Muster ein. Dies bedeutet eine erhebliche Erleichterung bei der Bearbeitung von Tötungsfällen. Natürlich sind die hier verwendeten Quoten nicht als Dogma zu werten. Die Quoten dienen der Erleichterung der Berechnung und basieren zum Großteil auf der Rechtsprechung sowie den Berechnungen, welche sich in der Praxis durchgesetzt haben.

 

Rz. 3

Wie alle Quoten, alle Tabellen oder sonstigen Hilfsmittel dienen diese Muster lediglich der Orientierung. Der Anwalt darf deshalb grundsätzlich nie den Einzelfall aus den Augen verlieren. Von den standardisierten Quoten oder Tabellen muss im Einzelfall abgewichen werden, wenn die individuellen Verhältnisse des Mandanten dies erfordern. Ein krampfhaftes Festhalten am Mustervordruck wäre dann falsch.

 

Rz. 4

Tötungsfälle gehören zum Repertoire des Verkehrsrechtlers und müssen ebenso akribisch wie Verletzungsfälle bearbeitet werden. Um Fehlerquellen zu vermeiden, jedoch alle Facetten mit vernünftigem Aufwand abzuarbeiten, wurden in diesem Buch die Blanko-Muster entworfen. Versicherer haben mittlerweile je nach Einzelfall unterschiedliche Rechenprogramme entwickelt oder sich eigene Muster zugelegt. In der Regel sind diese jedoch nicht veröffentlicht, sondern gehören zur individuellen Grundausstattung der Großschadenssachbearbeiter.

 

Rz. 5

Bevor ein Tötungsfall bearbeitet wird, ist zunächst eine erbrechtliche Prüfung zur Feststellung des Erben vorzunehmen. Es ist zuerst – wie aus dem Erbrecht bekannt – zu prüfen, ob eine gesetzliche Erbfolge oder eine gewillkürte Erbfolge vorlag. Diese erbrechtliche Grundsatzfrage ist wichtig, da im Ergebnis mehrere Anspruchsberechtigte vorhanden sein können und sich die grundsätzliche Frage stellt, wen der Anwalt vertritt. Vertritt er alle Erben oder nur den hinterbliebenen Ehemann/die hinterbliebene Ehefrau? Ferner hat diese erbrechtliche Prüfung auch eine gebührenrechtliche Bedeutung. Es empfiehlt sich, für jeden Anspruchsberechtigten eine gesonderte Akte zu führen, damit kein Durcheinander in den Unterlagen entsteht.

 

Rz. 6

Teilweise wird immer wieder vorgetragen, dass die Unterhaltsberechnungen wie im Familienrecht mit der Düsseldorfer Tabelle durchzuführen sind. Das ist falsch. Insofern können die familienrechtlichen Grundlagen eines Unterhaltsanspruchs keineswegs auf die Tötungsfälle im deliktsrechtlichen Bereich angewandt werden.

 

Rz. 7

Oftmals hat der Getötete nach einem Unfallereignis noch einige Zeit gelebt und ist erst nach einer Zeitspanne verstorben. In diesen Fällen muss genau getrennt werden, ob der Verletzte noch eigene Schadensersatzansprüche hatte. Dies können z.B. Gehaltsdifferenzschäden, Sachschäden, Heilbehandlungskosten oder aber auch selbstverständlich ein Schmerzensgeldanspruch gewesen sein, welcher dann auf die Erben übergegangen ist (§ 1922 BGB). Hiervon losgelöst sind die Ansprüche, die durch den Tod des zuvor Verletzten überhaupt erst entstanden sind. Es herrscht der Grundsatz, dass normalerweise jeder für seinen Unterhalt selbst sorgt. Personen, die das nicht können, sind im Sinne des Gesetzes bedürftig und unterhaltsberechtigt. Der Unterhaltsanspruch ist daher eine Durchbrechung des Prinzips, dass Dritte, die nicht selber beim Unfall sterben, keine Ersatzansprüche geltend machen können. Es ist folglich sauber zwischen den Erben und den Unterhaltsgeschädigten zu trennen. Der Unterhaltsanspruch nach § 844 BGB ist nicht Gegenstand des Nachlasses des Getöteten, sondern steht ausschließlich den Unterhaltsgeschädigten zu.

 

Rz. 8

Man prüft immer, ob der Getötete einen eigenen Anspruch auf Schadensersatz hatte. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass der Unterhaltsgeschädigte sich z.B. ein etwaiges Mitverschulden des Getöteten anrechnen lassen muss. Es finden hier die Grundsätze der §§ 846, 254 BGB Anwendung.

 

Praxistipp

Allerdings ist auch hier – wie bei den Verletztenfällen – keinesfalls pauschal ein Mitverschulden anzunehmen, sondern es bedarf einer exakten Prüfung, ob auch wirklich das vom Versicherer behauptete Mitverschulden des Getöteten vorlag. Hier ist oft eine Rücksprache mit technischen Sachverständigen notwendig, da aus unserer Erfahrung der Einwand des Mitverschuldens vom Geschädigtenvertrete...

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