Rz. 37

Tatsachen, die nach Erlass des Urteils eingetreten sind, können zu einer vorzeitigen Aufhebung der Sperre führen, sofern es sich um erhebliche Umstände handelt. Zu beachten ist allerdings, dass es sich dabei um einen Ausnahmefall handelt, so dass eine genaue Prüfung der vorgebrachten Tatsachen notwendig ist (OLG Hamm NZV 2007, 250).

 

Rz. 38

Grund zur Verkürzung können allerdings nur neue Tatsachen sein. Deshalb berechtigen allein Änderungen der Rechtsprechung (wie z.B. die zur Ungeeignetheit nach § 69 Abs. 1 StGB, siehe § 57 Rdn 6 ff.) nicht zur vorzeitigen Aufhebung der Sperre (OLG Hamburg DAR 2004, 660), und auch nicht zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 79 Abs. 1 BVerfGG (OLG Köln NZV 2008, 533).

 

Rz. 39

Häufigster Anwendungsfall ist die (von einer amtlich anerkannten Stelle durchgeführte, LG Hildesheim zfs 2003, 370) und entsprechend attestierte (LG Fulda VR Aktuell 2018, 49) Nachschulung (LG Leipzig NZV 2010, 105; OLG Karlsruhe DAR 2017, 155; LG Görlitz NZV 2019, 269).

 

Rz. 40

Das ist zu begrüßen, hat doch eine von der Bundesanstalt für Straßenwesen im Auftrag der Bundesregierung durchgeführte Wirksamkeitskontrolle ergeben, dass die Rückfallgefahr nach Teilnahme an einem solchen Aufbauseminar deutlich gemindert ist, was schließlich den Gesetzgeber dazu bewogen hat, das Aufbauseminar im § 153a Abs. 1 S. 6 StPO als Einstellungsgrund zu berücksichtigen.

 

Rz. 41

Allerdings muss ein Aufbauseminar nicht schon von Verfassungs wegen zwingend zum gewünschten Erfolg führen, es kommt vielmehr auf die jeweilige Überzeugung des Richters an (BVerfG DAR 2007, 77).

 

Rz. 42

 

Achtung: Hohe Alkoholwerte

Die überwiegende Rechtsprechung lehnt bei 1,6 ‰ übersteigenden Alkoholwerten eine Verkürzung der Sperrfrist ab.

Das hängt zum Teil auch damit zusammen, dass das bekannteste Aufbauseminar, der Kurs Mainz 77 nur Tätern mit maximal 1,59 ‰ offensteht. Dieser Kurs besteht aus einem Vorgespräch von 30 Minuten und vier Sitzungen zu je drei Stunden innerhalb von zwölf Tagen mit etwa acht Teilnehmern. Er kostet 400 EUR.

Für Alkoholfahrer mit höheren Werten als 1,59 ‰ gibt es spezielle Kurse, z.B. das Modell Freyung, das 500 EUR kostet und mit drei bis elf Teilnehmern in sieben Sitzungen mit je drei Stunden in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten durchgeführt wird. LG Berlin (DAR 2010, 712) und LG Kleve (DAR 2004, 470) berücksichtigen trotz der hohen Alkoholwerte die Teilnahme an einem solchen Aufbauseminar, während das LG Hildesheim (DAR 2004, 110) seine gleichlautende frühere Rechtsprechung (LG Hildesheim zfs 2003, 370) aufgegeben hat.

Teilweise berücksichtigt die Rechtsprechung auch die Teilnahme an anderen Schulungsmodellen, wie z.B. an einer von Institutionen wie Kreuzbund e.V. u.a. angebotenen verkehrstherapeutischen Schulung (AG Lüdinghausen NZV 2004, 424), insbesondere bei einer durch Vorlage der Blutuntersuchungsbefunden nachgewiesene Abstinenz (trotz 2,96 ‰!, AG Stadtroda DAR 2004, 543), während das LG Potsdam (zfs 2005, 100) und das LG Düsseldorf (DAR 2008, 597) alleine schon eine Verkehrstherapie genügen lassen.

 

Rz. 43

 

Tipp

Im Rahmen der Entscheidung kann auch die gutachterliche Stellungnahme eines privaten Verkehrstherapeuten zu einer Verkürzung führen (LG Oldenburg zfs 1997, 35).

 

Rz. 44

Nicht folgen können wird man wohl dem LG Kleve (DAR 2004, 470), wenn es sogar ein noch nicht abgeschlossenes Aufbauseminar berücksichtigen will.

 

Rz. 45

In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wird das Aufbauseminar aufgrund eines ministeriellen Erlasses im Gnadenweg mit einer Reduzierung der Sperre um zwei bis drei Monate, im Saarland wird sie u.U. bereits im Erkenntnisverfahren mit einer Reduzierung um zwei Monate berücksichtigt.

 

Rz. 46

 

Achtung: Drei-Monats-Frist

Nach allgemeiner Meinung war die Vorschrift des § 69a Abs. 7 StGB in ihrer ursprünglichen Fassung deshalb kaum praktikabel, weil im Zeitpunkt der Entscheidung die Sperre selbst noch mindestens sechs Monate andauern musste, ohne dass die Zeit der vorläufigen Entziehung eingerechnet werden konnte. I.d.R. verging bis zum Erlass des Strafbefehls so viel Zeit, dass die dort ausgeworfene Sperrfrist geringer war als die in § 69a Abs. 7 StGB vorausgesetzte. Diesen Missstand hat die seit dem 1.1.1999 geltende Neufassung beseitigt. Jetzt beträgt die Frist des Abs. 7 nur noch drei Monate.

 

Rz. 47

Im Falle einer Wiederholungstat lehnt die Rechtsprechung i.d.R. allerdings eine nachträgliche Verkürzung der Sperre trotz durchgeführter Besserungsmaßnahmen wie z.B. einer Gruppentherapie ab (KG DAR 2004, 657).

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