Rz. 157

Nach Abschaffung der Zulassungsbeschwerde durch das RmBereinVpG wurde § 146 Abs. 4 VwGO neu gefasst. § 146 Abs. 4 VwGO gilt für alle Entscheidungen im Rahmen der §§ 80, 80a und des § 123 VwGO.

1. Form und Frist

 

Rz. 158

Die Beschwerde gegen Beschlüsse des VG in Verfahren der §§ 80, 80a, 123 VwGO ist innerhalb von zwei Wochen (§ 147 Abs. 1 S. 1 VwGO) nach Bekanntgabe der Entscheidung bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.[165] Eine Fristverlängerung scheidet aus (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 224 Abs. 2 ZPO).

[165] So auch Kopp/Schenke, § 146 Rn 35. Für Bader u.a., § 146 Rn 19 kommt eine Einlegung zur Niederschrift des Urkundsbeamten nicht in Betracht, "weil für alle Beschwerden im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der Vertretungszwang gilt. Zum Vertretungszwang bei der Einlegung der Beschwerde und zur Möglichkeit, die Beschwerde zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen, siehe oben unter "Vertretungszwang"."

2. Umdeutung eines Beschwerdezulassungsantrages in eine Beschwerde?

a) Ausgangspunkt

 

Rz. 159

Wurde gegen einen Beschluss des VG entgegen der vom 1.1.1997 bis 31.12.2001 bestehenden Rechtslage "Beschwerde" eingelegt, so konnte dieses Rechtsmittel nicht als Beschwerdezulassungsantrag nach § 146 Abs. 5 a.F. VwGO ausgelegt werden. Eine Umdeutung stünde der eindeutigen Bezeichnung des Rechtsmittels und dem damit erklärten Willen entgegen, zumal die Eingabe entsprechend dem Anwaltszwang nach § 67 Abs. 1 S. 1 VwGO a.F. (jetzt: § 67 Abs. 4 VwGO) von einem RA verfasst worden ist.[166]

 

Rz. 160

Zwar kam in solchen Fällen grundsätzlich eine prozessleitende Verfügung des Gerichts in Betracht. War eine Korrektur aber mit Blick auf die am letzten Tag der Frist eingegangene Beschwerde nicht mehr möglich, so war das eingelegte Rechtsmittel unzulässig.[167]

[166] OVG Saarland zfs 1997, 400; Guckelberger, DÖV 1999, 937, 938 m.w.N.; Johlen, NWVBl. 1999, 41.
[167] OVG Saarland zfs 1997, 400; vgl. auch HambOVG NVwZ 1997, 689; VGH BW VBlBW 1997, 264; dies entsprach im Übrigen der Rechtsprechung des BVerwG zu den Grenzen der Umdeutung von Rechtsmittelerklärungen: DVBl. 1994, 1409; 1996, 105.

b) Umdeutung im umgekehrten Fall?

 

Rz. 161

Nach Abschaffung der Zulassungsbeschwerde stellt sich nunmehr die Frage, ob im umgekehrten Fall eine jetzt nicht mehr mögliche Zulassungsbeschwerde in eine Beschwerde umgedeutet werden kann.

 

Rz. 162

Nach BVerwG[168] sind die Umdeutung einer von einem Rechtsanwalt eingelegten Revision in eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision sowie die Umdeutung einer Berufung in einen Antrag auf Zulassung der Berufung unzulässig.[169]

 

Rz. 163

Auch in solchen Fällen kommt (wie zuvor auch) grundsätzlich eine prozessleitende Verfügung des Gerichts in Betracht.

 

Rz. 164

Aufgrund eines im Rechtsmittelrecht geltenden Grundsatzes[170] verbietet es sich aber darüber hinaus grundsätzlich, bei einem von einem Rechtsanwalt eindeutig formulierten Antrag die Umdeutung eines unzulässigen Rechtsmittels in ein zulässiges anzunehmen.[171]

[168] NVwZ 1998, 1297.
[169] Zur Auslegung einer "Berufung" als "Antrag auf Zulassung der Berufung" vgl. BVerwG NVwZ 1999, 405.
[170] Vgl. dazu noch einmal BVerwG DVBl. 1994, 1409; 1996, 105.
[171] Vgl. auch Bader u.a., § 124a Rn 52; differenzierend: Kopp/Schenke, § 146 Rn 36.

3. Begründungsfrist

 

Rz. 165

Gemäß § 146 Abs. 4 S. 1 VwGO ist die Beschwerde im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Mit Blick darauf, dass eine Begründung der Beschwerde nur möglich ist, wenn auch die Gründe für die Entscheidung bekannt sind, gehört zur "Bekanntgabe der Entscheidung" i.S.d. § 146 Abs. 4 S. 1 VwGO auch die Mitteilung ihrer Begründung. Eine andere Betrachtung wird den Grundsätzen des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht gerecht. Ein anderes Ergebnis lässt sich nur rechtfertigen, wenn ansonsten im Falle des Bekanntwerdens der Gründe erst kurz vor Ablauf oder nach Ablauf der Begründungsfrist gemäß § 60 VwGO Wiedereinsetzung gewährt wird.[172]

 

Rz. 166

Die Monatsfrist ist im Übrigen auch daran gekoppelt, dass der Beschluss mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehen ist (vgl. § 58 Abs. 2 VwGO). Dazu gehört in diesem Zusammenhang auch der Hinweis auf:

die Notwendigkeit der Begründung der Beschwerde,
die Frist zur Begründung,
den Adressaten der Begründung mit genauer Adresse (zuständiges OVG/zuständiger VGH),
den insoweit geltenden Vertretungszwang.
[172] So auch Kopp/Schenke, § 146 Rn 38.

4. Adressat der Begründung

 

Rz. 167

Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, beim OVG/VGH einzureichen (§ 146 Abs. 4 S. 2 VwGO). Eine beim VG eingereichte Begründung wahrt diese Frist nur dann, wenn die Begründung innerhalb der Monatsfrist beim OVG eingeht. Zu einer unverzüglichen Weiterleitung – allerdings im normalen Geschäftsgang – ist das VG aber verpflichtet. Wiedereinsetzung gemäß § 60 VwGO kommt dann in Betracht, wenn das VG die Weiterleitung verzögert hat. Hat das VG durch einen Fehler der Geschäftsstelle den Eindruck erweckt...

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