Rz. 75

Eine Divergenz i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO liegt nur dann vor, wenn der Zulassungsantrag einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem das VG einem in der Rechtsprechung der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung eines dieser Gerichte tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschriften widersprochen hat.[91]

Erforderlich ist dabei allgemein, dass in der Antragsbegründung ein inhaltlich bestimmter, abstrakter, die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts tragender Rechtssatz herausgearbeitet und einem eben solchen abweichenden abstrakten Rechtssatz des Divergenzgerichts gegenüber gestellt wird. Soweit eine Divergenz hinsichtlich einer tatsächlichen Frage geltend gemacht wird, muss dargelegt werden, dass es sich um dieselbe Tatsache handelt, hinsichtlich derer das Divergenzgericht Feststellungen getroffen hat, und dass die dieselbe Tatsache betreffenden Annahmen des Verwaltungsgerichts hiervon abweichen.[92]

 

Rz. 76

In § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist dabei nur die Abweichung von der Rechtsprechung des dem VG im Instanzenzug übergeordneten OVG angesprochen.[93] Darüber hinaus sind Entscheidungen des BVerwG, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG benannt. Im Rahmen der MPU werden hier auch und gerade die Entscheidungen des BVerfG relevant sein.[94]

Dieser Zulassungsgrund entspricht im Übrigen dem Revisionszulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

 

Rz. 77

Eine Verpflichtung zur Zulassung des Rechtsmittels darf nicht objektiv willkürlich außer Acht gelassen werden. Die Abweichung von der Rechtsprechung des BVerwG i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO hinsichtlich der Anforderungen an die Wahrnehmbarkeit eines Verkehrszeichens obliegt im Interesse der Rechtseinheit ausschließlich dem obersten Bundesgericht. Nur dieses kann seine einmal geäußerte Rechtsauffassung korrigieren. Dazu kann ihm nur durch Zulassung der Berufung und der Revision Gelegenheit gegeben werden. Es verletzt den Anspruch auf effektiven Rechtsschutz und Justizgewährung sowie die Garantie des gesetzlichen Richters, wenn ein Gericht den Zugang zur Rechtsmittelinstanz versperrt, weil es in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise und damit objektiv willkürlich die Verpflichtung zur Zulassung des Rechtsmittels außer Acht lässt.[95]

 

Rz. 78

Eine Abweichung von der EuGH-Rechtsprechung kann diesen Berufungszulassungsgrund nicht begründen. In aller Regel wird aber der Zulassungsgrund "grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache" gegeben sein.[96]

[91] Vgl. dazu Kopp/Schenke, § 124 Rn 11; OVG Saarland, Beschl. v. 4.7.2016 – 2 A 161/16.
[92] OVG Saarland, Beschl. v. 4.7.2016, 2 A 161/16.
[93] NdsOVG zfs 1999, 405 m.w.N.
[94] zfs 1993, 285; 2002, 454 und 2002, 460 (vgl. dazu VGH BW zfs 1998, 405, 406; vgl. dazu insgesamt Guckelberger, DÖV 1999, 937, 943; Johlen, NWVBl. 1999, 41, 43.
[95] VerfGH des Landes Berlin, Beschl. v. 14.5.2014 – VerfGH 80/12.
[96] Fehling/Kastner, Verwaltungsrecht, § 124 VwGO Rn 81.

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