Rz. 107

Das Antragsverfahren setzt veränderte oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände voraus. Hier kommt die Änderung der Sach- oder Rechtslage in Betracht. Veränderte Umstände i.S.v. § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO können sich daraus ergeben, dass nach Ergehen der Eilentscheidung eine bis dahin umstrittene entscheidungserhebliche Rechtsfrage durch die Rechtsprechung des EuGH in einem anderen Sinne geklärt wird, als dies bei Prüfung der Erfolgsaussichten im vorangegangenen Verfahren zugrunde gelegt wurde.[152]

 

Rz. 108

 

Beispiel

Spätere Vorlage eines die Fahreignung bestätigenden Gutachtens: Bestehen zum maßgeblichen Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung keine ernstlichen Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Entziehung der FE, weil der Betroffene (ASt.) nach Nichtbeibringung eines geforderten Fahreignungsgutachtens für ungeeignet gehalten werden darf und hat das VG demnach den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Entziehung der FE zurückgewiesen, so steht es dem ASt. offen, die Zweifel an seiner Fahreignung durch Vorlage eines entsprechenden Gutachtens auszuräumen. Sollte der AG einem derartigen, für den ASt. positiven Gutachten nicht Rechnung tragen, hat der ASt. die Möglichkeit, einen Abänderungsantrag gem. § 80 Abs. 7 VwGO zu stellen (vgl. § 15 Rdn 18 ff.).[153]

 

Rz. 109

Weitere Beispiele:[154]

nachträglich eingetretene oder bekannt gewordene Tatsachen, die eine abweichende Einschätzung rechtfertigen können;
veränderte Beweislage, die dadurch eingetreten sein kann, dass die mittlerweile im Hauptsacheverfahren durchgeführte Beweisaufnahme die bisherige Einschätzung nicht mehr rechtfertigt;
neues Beweismaterial taucht auf;[155]
Feststellung, dass die im Eilverfahren vorgelegte eidesstattliche Versicherung falsch ist;[156]
Gericht war einem relevanten Tatsachenirrtum unterlegen;[157]
wesentliche Veränderung im Verwaltungsverfahren, z.B. Erlass eines entsprechenden Widerspruchsbescheides;[158]
unvertretbare Hinauszögerung des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens;
Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung oder höchstrichterliche Klärung einer bislang strittigen Rechtsfrage;[159]
Änderung der Rechtsprechung des Gerichts selbst, wenn dadurch der Fall anders beurteilt werden muss;
wesentliche Tatsachen wurden unter Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht berücksichtigt;
Wiederaufnahmegründe nach § 153 VwGO;
die bloße Zulassung der Berufung oder der Revision stellt keine Änderung i.S.d. § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO dar.
[152] OVG NRW, Beschl. v. 9.12.2013 – 16 B 994/13, NZV 2014, 598 = zfs 2014, 240 (Ls.) unter Hinweis auf BVerfG, Beschl. v. 26.8.2004 – 1 BvR 1446/04, NVwZ 2005, 438.
[153] VG Saarland zfs 1997, 239, 240; NdsOVG, Beschl. v. 11.12.2012 – 7 ME 131/12, zfs 2013, 117.
[154] Vgl. Bader u.a., § 80 Rn 142.
[155] VGH BW VBlBW 1983, 301.
[156] VGH BW VBlBW 1990, 179.
[157] HessVGH NVwZ-RR 1989, 590.
[158] VGH BW VBlBW 1989, 374.
[159] VGH BW NVwZ-RR 1992, 657.

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